Virginia

 

1. Juni

Fairfax – Manassas – Harrisonbourg

Am nächsten Morgen erfahre ich beim Auschecken an der Rezeption auch den Grund für den gestrigen Großeinsatz. Ein Flitzer rannte durch die Gänge und hat schließlich dann den Angestellten am Empfang eindeutig belästigt…

Mike hat gerade etwas Zeit und erzählt mir das alles, ein Gast von der Insel gesellt sich zu uns. Eine nette Unterhaltung beginnt, wir sprechen über unsere Reiseziele, über Auszeit, über Europa und Asien sowie über Gott und die Welt, und am Ende lädt mich Tom, der Brite, zum Barbecue ein, was ich ungern und schweren Herzens ablehne. Mich zieht es nämlich weiter zum berühmten Shenandoah National Park, wo ich für heute Abend am westlichen Rand des Parkes in Harrisonburg ein Zimmer gebucht habe. Außerdem liegt der denkwürdige und geschichtsträchtige Ort Manassas auf meiner Route. Falls ich mir das also anschauen möchte, muss ich jetzt los. Tom versteht das, verabschiedet mich mit einem kräftigen Händedruck und Mike erklärt mir noch, wo ich auf dem kürzesten Weg noch einen Einkaufsmarkt finde.

Nach dem erfolgreichen Einkauf bringt mich die Interstate W66 nach einer halben Stunde nach Manassas. Nach einem Picknick schließe ich mich einer Führung über das Gelände an, bei der die historischen Ereignisse von einem hervorragenden und sehr sympathischen Guide lebhaft und eindrücklich geschildert werden.

Hier in Manassas standen sich die Nordstaaten und die Südstaaten am 21. Juli 1861 zum ersten Mal gegenüber. Ungefähr ein Jahr später gab es zwischen dem 28. und 30. August die zweite Schlacht in Manassas. Die (auch moralisch) überlegenen Nordstaaten waren der Meinung, den Sezessionskrieg schnell beenden zu können und unterschätzen die Armeen der Konförderierten völlig. Niemand der Beteiligten konnte vorausahnen, wie verheerend der Konflikt am Ende sein würde. Die beiden Schlachten waren für den Gesamtverlauf nicht besonders entscheidend. Jedoch wurde durch den Sieg der Konförderierten deren Moral höher und das Bewusstsein auf der Unionsseite größer, dass dieser Krieg nicht im Vorübergehen gewonnen werden wird. Beide Schlachten in Manassas sind nach der Namensgebung der Nordstaaten auch unter dem Namen Schlacht am Bull Run bekannt.

Am Ende der Tour war ich total beeindruckt und hatte eine Menge dazu gelernt. Nachlesen kann man die ganze Geschichte beispielsweise auf der Homepage von Manfred Schmetkamp (http://www.wilder-westen-web.de/bk004.htm) oder natürlich auf der allseits bekannten Schlaumeierwikiseite.

Nach einem sehr interessanten Gespräch mit dem Guide, in dem ich noch ein paar klärende Fragen stelle (zwischendurch verließ mich mein Englisch etwas, vor allem als der Guide lebhafter wurde…), fahre ich zurück auf die 66 und nehme Kurs auf Harrisonburg.

Eineinhalb Stunden später habe ich die Nordgrenze der Shenandoah National Parks erreicht. Eine Pause mit Kaffee und Kuchen wäre jetzt ganz nett. Ich verlasse die Autobahn und fahre an der Westseite des Tales entlang, bis ich durch Strasburg (hoppla!) komme, wo ich an einer zu einem Lokal umgebauten Mühle halt mache. Cappuccino und Apfel- Streusel-Kuchen, was auch sonst in einer Mühle in Strasburg! Die Mühle hat eine sehr alte Geschichte und spielte auch im Bürgerkrieg eine wichtige Rolle. Auf Fotos, die an den Wänden hängen, sieht man Szenen aus alten Zeiten und wie die Mühle durch Umbauten im Laufe der Zeit ihr Gesicht verändert hat. Bei der Bedienung erkundige ich mich nach Harrisonford. Nicht mal mehr zwei Stunden von hier, also brauche ich mich nicht beeilen und werde auch noch Zeit haben um einzukaufen. Ich entscheide mich ab hier die kleinen Nebenstraßen zu nehmen und komme durch verschlafene Ortschaften, wie z.B. Woodstock, das jedoch mit dem legendären Ereignis gleichen Namens nichts gemein hat.

Gegen 17 Uhr komme ich im Motel 6 an. Ein Inder in meinem Alter begrüßt mich an der Rezeption. Zufällig trage ich ein T-Shirt aus Indien mit einem Tribal-Muster und wir kommen natürlich ins Gespräch über die Orte, die ich besucht habe und wie mir Indien gefallen hat.

Wieder mal bekomme ich im Motel 6 ein gutes, sauberes und günstiges Zimmer. Nicht weit von hier ist ein großer Supermarkt, bei dem ich mich für die nächsten Tage eindecke. Abends sitze ich dann über meine vielen Karten und schaue nach Routen und Orte in diesem interessanten Tal. Mir wird schnell klar, dass man hier Wochen verbringen könnte ohne genug zu haben. Es gilt, sich zu entscheiden. Gut für morgen soll es dann gleich eine Wanderung sein. Ich entschließe mich für den Old Rag Mountain, der ziemlich genau in der Mitte des Shenandoah National Park liegt. Bevor ich mich zur Ruhe begebe, ordne ich noch meine Sachen für morgen und packe schon meinen Rucksack.

2. Juni

Old Rag Mountain

Herrliches Wetter weckt mich und nach einem kurzen Frühstück mache ich mich fast ungeduldig auf meine erste Tour zum Old Rag Mountain. Ein vielversprechender Name, wie ich finde. Nach kurzer Fahrt komme ich an einem Parkplatz an, wo man sein Fahrzeug zwingend abstellen muss. Außerdem braucht man ein Zugangsticket für den Park. An einem nicht besetztem Kiosk gibt es eine Infotafel. Name, Datum, Adresse sind auf einem kleinen Formular einzugeben, das man faltet und 8 $ mit einlegt. Leider habe ich als kleinste Note nur einen Zwanziger, aber man kann alternativ auch seine Kreditkartennummer angeben! Also gut, tun wir doch! Anschließend orientiere ich mich auf einer mehr oder weniger aussagekräftigen Karte und stiefle los. Unterwegs werde ich von riesigen Schwärmen schwarzer und gelber Schmetterlinge überrascht. Einige vereinzelt stehende Häuser sind rechts und links der geteerten Straße zu sehen. Am letzten Haus bleibe ich kurz stehen, um den vor seinem Grundstück arbeitenden Mann nach dem besten Weg zu fragen. Zunächst geht es langweilig und relativ unspektakulär durch einen dünn besiedelten Wald den Berg hoch. Hier begegne ich kaum Menschen und ich frage mich, ob ich noch auf dem richtigen Weg bin. Schließlich wird der Boden steiniger und der Weg schmaler, auch habe ich nun ab und an Aussicht auf ein Tal. Leute begegnen mir jetzt, allesamt aus den Staaten, mit denen ich mich zum Teil angeregt unterhalte. Viele freuen sich, wenn sie hören, dass ich Deutscher bin und fast jeder zweite kennt jemand aus Deutschland oder war schon mal da. Die ersten, die ich treffe, sind eine Gruppe junger, sportlicher Mädchen und sie wirken fast so, als wären sie im Sprint hoch und runter. Der Weg zum Gipfel sei noch sehr weit und ich sollte mich auf Kletterpartien, enge, zu durchquerende Felsspalten und schwierig zu überwindende Felsbrocken einstellen. Das Ziel lohne aber auf jeden Fall und die Aussicht wäre heute fantastisch! Und wirklich, es wird immer abenteuerlicher und zwischendurch muss ich mich wirklich konzentrieren, um mich nicht zu verletzen oder abzurutschen. Kurz vor dem Gipfel begegnet mir an einer schwierigen, steilen Engstelle, bei der man bergab eigentlich nur auf dem Hosenboden rutschend weiter kommt, eine größere Gruppe Frauen mit Kindern und zwei Männern. Es sind Amishe, wie man unschwer an der Kleidung erkennen kann. Auch hier ergibt sich eine längere, nette Unterhaltung. Endlich komme ich nach drei Stunden am heiß ersehnten Ziel an – und wirklich, es ist atemberaubend schön! Überglücklich suche ich mir den höchsten Felsbrocken aus, richte mich gemütlich ein und nehme erst einmal ein ausgiebiges Vesper zu mir, während dessen ich meine Aussicht genieße, jede Menge Fotos schieße, Greifvögel beobachte und dann einfach nur schaue und schaue! Gut, ich lass mal die Bilder für sich sprechen…

Weg nach oben

Old Rag Mountain04 Old Rag Mountain09 Old Rag Mountain13 Old Rag Mountain24 Old Rag Mountain59 Old Rag Mountain63

Schmetterlinge und Pflanzenwelt

Old Rag Mountain06 Old Rag Mountain01 Old Rag Mountain17 Old Rag Mountain19 Old Rag Mountain18 Old Rag Mountain33

Klettern angesagt

Old Rag Mountain32 Old Rag Mountain28

Samsung_Pics_Virginia025 Old Rag Mountain36 Old Rag Mountain34 Old Rag Mountain38 Old Rag Mountain39 Old Rag Mountain46 Old Rag Mountain56

Oops!

Old Rag Mountain43 Old Rag Mountain40 Old Rag Mountain44 Old Rag Mountain41 Old Rag Mountain46 Old Rag Mountain55

Samsung_Pics_Virginia034 Samsung_Pics_Virginia024

Endlich oben

Old Rag Mountain48

Old Rag Mountain27 Old Rag Mountain49 Old Rag Mountain52 Old Rag Mountain53 Old Rag Mountain66 Samsung_Pics_Virginia013 Samsung_Pics_Virginia030

Selfies müssen manchmal sein

Samsung_Pics_Virginia027

Abstieg mit Abkühlung

Old Rag Mountain65 Old Rag Mountain83 Old Rag Mountain72 Old Rag Mountain75

3. Juni

Skyline Drive & Luray Cavern & French Café

Für heute habe ich geplant, den Skyline Drive eine Weile entlang zu fahren, die Aussicht zu genießen und natürlich jede Menge Fotos zu schießen. Ich habe eine ruhige und sonnige Fahrt bis zum nördlichen Eingang zum Shenandoah National Park. Der fast 200 km lange Weg ist zwar gebührenpflichtig, aber am Schlagbaum erzähle ich dem Mann in Uniform, dass ich  gestern schon eine Gebühr für den Old Rag entrichtet habe. Als Nachweis zeige ich ihm das Formular, auf dem ich meine Kreditkartennummer angegeben hatte. Das sei so in Ordnung meint der Ranger, weist mich auf die Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 mph hin, die auf der gesamten Strecke gültig ist, bittet mich bei Begegnung mit Wild notfalls anzuhalten und wünscht mir gute Fahrt sowie einen schönen Tag. Das ging doch mal ganz unkompliziert!

Tatsächlich treffe ich nach kurzer Zeit schon auf ein Reh, das gemütlich die Straße überquert und sich im Dickicht davonmacht. Die Straße schlängelt sich wunderschön, es ist kaum etwas los und die Aussicht an den vielen Plattformen ist beachtlich. Jedoch sinkt meine Stimmung etwas, als immer mehr Wolken aufziehen und die Aussicht auf das Shenandoah Valley trüben. Kurz lege ich eine kleine Vesperpause ein, ziehe meine Karte zu rate und sehe, dass es nicht weit zur nächstmöglichen Gelegenheit ist, den Skyline Drive zu verlassen. Dort in der Nähe liegt Luray. Es soll ein schönes Städtchen sein, außerdem liegen ganz in der Nähe die berühmten Luray Caverns. Also wenn das Wetter oben nicht ganz so touristenfreundlich ist, geht der Tourist eben unter die Erde!

Kurz nach der Abfahrt nehme ich zwei schwer bepackte Tramper mit, die ebenfalls nach Luray wollen. Ich setze die beiden an einem Hostel ab, schaue mir etwas das Städtchen an und entdecke ein kleines nettes Café, dessen Besuch ich mir nach der Höhlentour vornehme.

Die Luray Caverns weisen einige Besonderheiten auf, die einen Besuch sehr attraktive machen. Es ist mit ungefähr 25 ha flächenmäßig das größte Höhlensystem im Osten der Vereinigten Staaten, besitzt durch einen chemisches Verfahren ein angenehme, trockene Luft und beherbergt als eines der Highlights das größte Musikinstrument unter der Erde, die Stalactite Pipe Organ. Diese Orgel wurde von L. W. Sprinkle nach drei Jahren Arbeit im Jahre 1956 fertiggestellt. Allerdings fand er nur ein paar Tropfsteine, die so beschaffen waren, dass sie die gewünschten Töne erzeugten. Deshalb bearbeitete Sprinkle die restlichen Tropfsteine, bis er alle notwendigen Töne für seine Orgel, das eigentlich musiktechnisch als Litophon zu bezeichnen ist, zusammengestellt hatte. Über 14 000 m² erstrecken sich die mit dem Orgelkörper verdrahteten Tropfsteine, die durch Gummimanschetten geschützt sind und mittels kleiner Gummihämmern elektronisch angeschlagen werden. Trotz der Schutzmaßnahmen brechen immer wieder einige Stalaktiten ab, die Bruchstücke werden dann weiterverwendet und in unzähligen Dekorationsideen im Shop verkauft. Trotz der kritisch zu sehenden Punkte, das bis heute andauernde Bearbeiten der Tropfsteine und die chemische Trocknung der Höhlenluft, sind die Luray Caverns sehenswert und ein must-see, wenn man in der Gegend ist.

Die Höhle ist einfach atemberaubend schön, es gibt am tiefsten Punkt der Höhle einen gigantischen See, den Dream Lake, in dem sich durch verschiedene Lichteffekte die Stalaktittenformationen farbenprächtig widerspiegeln. In einem sich weit öffnendem Raum, der Giant Hall, bleibt mir der Mund vor Staunen offen. Ein gigantischer Turm, der sogenannte Double Column, der durch das Zusammenwachsen eines Stalaktites und eines Stalagmites entstanden ist, steht mit seinen rund 15 Metern majestätisch im Zentrum. Als weitere Schönheit taucht Titania‘s Veil auf, wie Vorhänge oder Schals gefaltete Tropfsteine, die so dünn sind, dass Kerzenlicht durch das Calcit hindurchleuchtet. Ständig wird man während der Tour, die auch an einigen kristallklaren Tümpel entlang läuft, von neuen wundersamen Formationen überrascht, die ich mit meinen Worten gar nicht so eindrücklich beschreiben kann, wie es vielleicht meine Bilder tun, weshalb ich hier meine Beschreibung der Luray Caverns abschließe. Bitteschön, die Bilder (demnächst):

Luray Caverns10 Luray Caverns59 Luray Caverns60 Luray Caverns68 Luray Caverns54 Luray Caverns52 Luray Caverns51 Luray Caverns43 Luray Caverns62 Luray Caverns71 Luray Caverns77 Luray Caverns45 Luray Caverns41 Luray Caverns35 Luray Caverns31 Luray Caverns30

Nach der einstündigen Tour unterhalte ich mich noch etwas mit dem netten Guide und fahre dann gemütlich nach Luray, zum Gathering Grounds, dem Café, das ich entdeckt hatte. Das Café ist gemütlich eingerichtet, mit vielen kleinen Tischen, einer Leseecke, einer Bar und sowie einer Schrankwand mit vielen Vitrinen, Schubladen und antik wirkendem Dekor. Ich bestelle mir einen Cappuccino und ein großes Stück Streuselkuchen, beides schmeckt fast wie zu Hause! Herrlich!

Danach schlendere ich noch durch die Ortschaft und komme an einem Massagestudio vorbei. Seit zwei Tagen habe ich leichte Rückenschmerzen und Schulterverspannungen. Warum sich nicht eine Massage gönnen? Gleich morgen früh wäre ein Termin möglich und ich zögere nicht lange, ich könnte ja anschließend die anderen leckeren Kuchen im G G testen...

 

 4. Juni

Natural Bridge (daylight) & Natural Cavern & Natural Thunderstorm

Heute geht es in Richtung Süden zur legendären Natural Bridge, eine natürlich entstandener Steinbogen mit einem naheliegenden Höhlensystem. Ein Highlight ist die allabendliche Light & Music Show unter der Natural Bridge. Das Wetter ist strahlend schön, ein paar Schäfchenwolken am Himmel verzieren meine Fahrt auf der Highway in meinem mir immer sympathischer werdenden Dodge Avenger. Ein bisschen Zufallsmusik aus dem Ipod, Snacks auf dem Beifahrersitz und kühle Getränke sorgen für Kurzweil bis zum heutigen Ausflugsziel.

Zuerst zur Hauptattraktion, der ca. 500 Millionen Jahre alten und rund 36 000 Tonnen schweren Felsbogen über den die von unten nicht sichtbare Lee Highway, die US Route 11, führt. Durch urzeitliche Wassermassen ausgehöhlt steht das etwa 70 Meter hohe Ding vor mir. George Washington soll als junger Mann einst hier gewesen sein und sei verbotenerweise an der Wand hochgeklettert und habe seine Initialen G W in den Fels eingraviert. Ein weiteres Detail, das es zu suchen gibt, ist die kleine Buddha-Statue etwa doppelt so hoch gelegen wie die berühmten Initialen. Für beides braucht man ein Fernglas oder benutzt den Zoom. Die beiden Buchstaben sind echt, ob sie von dem berühmten ersten Präsidenten stammen, darüber streiten die Gelehrten und die Buddha ähnelnden Steintürmchen sind eine Laune der Natur oder auch aber ein Werk von Witzbolden…

Nachdem ich genug fotografiert habe, gehe ich unter dem imposanten Steingebilde durch und setze meinen Weg fort, um zu den Lace Waterfalls zu gelangen sowie den Eingang zum mysteriösen Lost River zu sehen, der hauptsächlich unterirdisch verläuft.

Auf meinem Weg bin ich fast ganz allein, nur hin und wieder höre ich fröhliche Stimmen von Kindern mit ihren Eltern. Der naturbelassene Weg schleicht sich gemütlich zwischen einem Bachbett und einem bewachsenen Steilhang hindurch, teilweise durchbrochen von nacktem Gestein. Ungefähr Mitte des Weges erklären sich auch die Stimmen spielender Kinder, als ich auf eine Lichtung treffe, auf der ein Nachbauten eines Indianerdorfes stehen. Ich sehe mehrere eiförmige Gebilde, die mich irgendwie an einen gestrandeten Wal erinnern. Die Holzstangen, die waagrecht und senkrecht über dem Zeltmaterial angebracht sind, wirken wie ein Skelett. Erwachsene und Kinder basteln an den Gebäuden und sind so konzentriert, dass sie mich nicht registrieren, als ich durch das Gelände laufe. Kurze Zeit später treffe ich auf einen aufgeregten jungen Mann, der hektisch in Richtung Bachbett zeigt. Als ich auf seiner Höhe bin, entdecke ich den Grund. Ein schwarzes, beinloses Wesen kriecht recht schnell über den Weg. Vermutlich hat es mehr Angst, als der Entdecker selbst. Tatsächlich schaffe ich es noch ein Bild zu schießen, bevor das Objekt der Aufregung im Gebüsch verschwinden kann.

Den verlorenen Fluss suche ich vergebens, was bei dem Namen ja auch nicht verwunderlich ist. Ein Hinweisschild macht mich darauf aufmerksam, dass hinter irgendeinem der Felsspalten auf der anderen Seite das mysteriöse Nass zu finden sein muss. Pflichtschuldig fotografiere ich die Stelle ohne zu wissen, ob es die richtige ist. Gegen Ende meines Weges höre ich Wasser plätschern und rauschen, das Flüsschen zu meiner Linken ist etwas wilder geworden und seine breite Stufen enden an einem Wasserfall, der jedoch unzugänglich ist. Es gibt jedoch ein Rund aus Stein als Sitzgelegenheit, an dem ich mich zum Vespern niederlasse. Während ich meine Mahlzeit verdrücke, gesellt sich verschiedenes Getier zu mir. Direkt neben meinem Arm lässt sich ein Prachtexemplar eines Schmetterlings (Name wird noch recherchiert…) nieder und pumpt rhythmisch mit den Flügeln, als wolle er das Murmeln des Wasserfalls begleiten. Bevor er mit einem Artgenossen davonflattert, wartet er artig, bis ich ihn fotografiert haben. Dann kommt ein Schwarm kleiner hellblauer Falter und tummelt sich auf dem Boden rings um mich herum. Als ich mich über die Brüstung der Steinmauer lehne, sehe ich Eidechsen flitzen und entdecke außerdem zwei handtellergroße Achtbeiner! Nachdem ich alles digital verewigt habe, mache ich mich auf den Rückweg, um nochmal die Natural Bridge zu bestaunen.

Das nächste Highlight sind die Natural Bridge Caverns, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts entdeckt wurden. Die Tour, die rund eine Stunde dauerte, führt über viele Treppen in die Tiefe. Die schmalen Wege und die Stufen sind immer wieder glitschig und ich bin froh, meine rutschfesten Tevas mitgenommen zu haben. In der Höhle herrschte über das ganze Jahre eine Temperatur von rund 12°C, es gibt einen gigantischen „Dome“ und außerdem sind wir hier 100 Meter in der Tiefe, Rekord an der Ostküste. Weiter gibt es nichts Spektakuläres zu sehen, aber der Guide ist sehr eifrig dabei und erläutert ausführlich über Höhlen und Tropfsteine im Allgemeinen.

Bevor die spektakuläre Sound & Lightshow bei der Natural Bridge beginnt, möchte ich noch einen kleinen See in der Nähe besuchen sowie eine Mahlzeit einnehmen. Inzwischen ist es nicht mehr so heiß, wie heute morgen und als ich am See ankomme, regnet es ein paar Tropfen. Am See ist eine seltsame Stimmung, außer mir sind nur zwei Frauen mit zwei Kindern da. Der Wald ringsherum ist dunkel und eigenartig ruhig. Irgendwie fühle ich mich hier nicht richtig wohl und mache mich auf den Rückweg. Nachdem ich ungefähr 5 Minuten im Wagen fuhr, wird es bedrohlich dunkel um mich herum. Ohne Vorwarnung prasselt ein heftiger Wolkenbruch auf mich herab, ich sehe kaum noch was, obwohl die Scheibenwischer auf höchster Stufe laufen. Dann sehe ich über dem Wald eine dunkle, trichterförmige Wolke. In diesem Moment passiere ich eine Kreuzung an der sich etwas zurückgelegen ein Restaurant befindet. Ich steure den Parkplatz an und will aussteigen, doch in diesem Moment blitzt es direkt über mir, das Auto wird durchgerüttelt und der Regen ist jetzt so stark, dass ich so gut wie gar nichts mehr sehe, nur noch Wasser! Der Spuk dauert ein paar Minuten, dann stoppt der Regen und auch das Gewitter ist vorüber. War das ein kleiner Tornado? Ich fahre weiter in Richtung Natural Bridge und sehe unterwegs schon Einsatzkräfte, die umgestürzte Bäume von den Fahrbahnen räumen!

Als ich an der Natural Bridge ankomme, wird mir mitgeteilt, dass die Show heute aus Sicherheitsgründen wahrscheinlich entfallen muss. Die Entscheidung fällt in einer halben Stunde, wenn alle Wetterinformationen geprüft sind. Ich warte natürlich, aber leider umsonst. Die Sound & Lightshow ist für heute abgesagt. Jedoch habe ich Glück im Unglück, denn das Ticket gilt für mehrere Tage! Mit der Hoffnung, dass sich das Wetter wieder schnell beruhigt, kehre ich auf einer gemütlichen Fahrt zurück in mein Motel, auf der mich etwas Regen und kleine Gewitter begleiten.

 

5. Juni

Staunton & Humpback Mountain & Natural Bridge at night with Lightshow

Das Wetter ist herrlich heute, weshalb ich nach dem Frühstück auch sofort meinen Plan für heute zusammenstelle: Massage, Fahrt auf dem Skyline Drive, Abstecher nach Staunton, Wanderung auf den Humpback Rock und zum Abschluss die Natural Bridge Light Show.

Also zunächst einmal nach Luray, um mir meine Massage zu gönnen, die ich gestern gebucht hatte.

Danach mache ich mich auf dem Blue Ridge Parkway in Richtung Süden auf den Weg. Ich möchte das schöne Wetter genießen und ein paar Fotos von hier oben schießen. Gemütlich und das Tempolimit beachtend tuckere ich in meinem Dodge die kurvigen Straßen entlang, mache hier und da Halt, schieße Fotos und lasse mir zwischendurch die Sonne aufs Haupt scheinen. So fahre ich dem Nachmittag und dem Hunger entgegen und lande in Staunton, einer verschlafenen Kleinstadt mit viel Charme. Schöne kleine Läden, typische, häufig rote Backsteinhäuser, saubere, wie mit dem Lineal gezogene Straßenzüge, eine Hand voll Kirchen, eine Synagoge und nette Menschen. Außerdem ist hier Woodrow Wilson, der 28. Präsident, geboren.

Es wird Zeit sich wieder zu bewegen, der Humpback Rock wartet auf mich. Die Strecke ist etwas mehr als drei Kilometer lang und ich werde wohl ne dreiviertel Stunde dafür brauchen. Die knapp eintausend Meter hohe Erhebung verspricht einen schönen Rundumblick über das Shenandoah Valley. Der Aufstieg strengt mich dann doch mehr an als gedacht, die Pfade sind sehr steinig und immer wieder sind umgestürzte Bäume oder abgebrochene Äste im Weg – Auswirkungen des gestrigen Sturmes?

Oben angekommen werde ich von einem unglaublichen Panorama empfangen. Etwas hungrig und müde suche ich mir ein schönes Plätzchen zum Vespern und Dösen. Während ich die Aussicht genieße beobachte ich mehrere Greifvögel, die am Himmel ihre Kreise ziehen, zwei von ihnen gehen immer wieder aufeinander los.

Kurz darauf werde ich von einer Frau angesprochen. Sie hat beobachtet, wie ich mit meinem Smartphone versuche Selfies zu schießen und bietet mir an mich auf dem Felsen zu fotografieren. Wir kommen ein bisschen ins Gespräch und ich erfahre, dass sie aus der Gegend kommt und so ziemlich jeden Tag hier heraufmarschiert. Es soll hier einige Bären in der Gegend geben, die jedoch sehr scheu sind.

Es ist kurz nach fünf und es wird Zeit für mich, den Abstieg anzutreten, in drei Stunden muss ich an der Natural Bridge sein. Auf dem Weg hinunter habe ich ständig das Gefühl beobachtet zu werden und ich muss an die Bären denken. Aber vermutlich bilde ich mir nur etwas ein. Der Wald ist dämmrig und still. Auf meinem Weg begegnet mir niemand, ich scheine allein hier unterwegs zu sein. Kurz vor dem Parkplatz, ich schätze noch fünf Minuten zu gehen, kommt mir ein Jogger entgegen und erzählt mir, er hätte gerade eben einen Bären gesehen, der direkt vor ihm über den Weg gelaufen ist. Gespannt gehe ich weiter, doch ich habe kein Glück und kann mit keinem Foto aufwarten!

Die Light Show am Abend ist ein passender Abschluss für diesen Tag. Man sitzt auf Holzbänken seitlich am Weg zur Brücke. Es ist inzwischen richtig dunkel geworden und die Show beginnt. Eine beeindruckende Stimme liest aus Genesis 1, untermalt von dramatischer Musik, während Projektoren den Torbogen ständig in anderen Farben tauchen. „And God said…“

6. Juni

Shenandoah & Hawksbill Mountain & White Oak Falls

 

7. Juni

Charlottsville & Drumsession & Monticello (and good-bye!)