Lange Nacht der Fragen

Wache gerädert auf, Mobiltelefon klingelt. Hab ich überhaupt geschlafen? Wie spät ist es? – Sebastian ruft an. Ich muss wach werden. Oh Mann, war das eine lange Nacht…

Normalerweise gebe ich Auskünfte über mich nicht so schnell preis. Aber gut, warum nicht. Sie hat mir ja  ihre Nummer auch sofort gegeben. Zuerst die harmlosen Fragen, wie immer. Wie heißt du, wo wohnst du, was machst du. Okay. Dann ins Detail – es wird immer später. Ich bleibe bei alkoholfreien Getränken, damit ich es nicht vermassle. Die Fragen scheinen endlos. Wann war ich das letzte Mal in Indien, wo möchte ich diesmal hin. Ja natürlich, die bisher besuchten Städte – hätt ich fast vergessen. Ähm, ist die Reihenfolge eventuell wichtig? Und plötzlich stürzt sie (So ein Mist, das war vielleicht doch nicht die beste Zeit für ein Date). Wer? Ach so, ‘tschuldigung. Bitteschön, darf ich vorstellen: Her name is Visa, Visa Application Form:

Visa Application Form

Also nochmal von vorne, Seite neu laden. Gleiche Prozedur. Gleiche Stelle. Gleicher Absturz. Jetzt fluche ich zum ersten Mal und wechsle doch zum Bier (nein, nicht alkoholfrei!). Fünfmal passiert das und am Ende kann ich meine Passnummer, das Flugdatum sowie die Daten meines letzten Visums auswendig, rückwärts sogar. Nach drei Stunden hab ich‘s endlich geschafft, bin am unteren Ende des Antrages, wo nur noch die Meldungen ‚Save and Exit‘ und ‚Print‘ mich aufhalten einzuschlafen. So, nur noch drucken. Wie jetzt – der Drucker will auch noch betankt werden? Wie jetzt? Nee, nä –  irgendeine Farbe fehlt, Mann, Mann, Mann. Ich geb‘ dem Drucker die Tinte und mir noch ein Bier und hoffe, dass die Seite solange stabil bleibt, sonst….

Uff, geschafft. Brav spuckt der Epson meinen Online-Visum-Antrag aus. Es ist vier Uhr, es dämmert schon. Zum Glück bin ich allein – noch irgendeine Frage, von wem auch immer, wäre für mich jetzt sicher zuviel. Eigentlich hab ich jetzt keine Lust ins Bett zu gehen. Vernunft siegt, habe morgen viel zu erledigen. Telefonieren mit Sebastian, Skypen mit Claudia. Little Flower-Update. Also mache ich Bier, Drucker und Licht aus. Guten Morgen!

Guten Morgen, Sebastian! Was gibt’s?…

 

 

Vorwehen – Nachwehen

Vorfreude. Planen und Verwerfen. Einpacken und Auspacken. Ungeduldiges und gespanntes Warten. Das Flugticket schon seit einiger Zeit in der Tasche. Frankfurt – Delhi – Kathmandu.

Glücklicherweise mit Sebastian, einem Freund und Stockkämpfer aus Salzburg, im gleichen Flieger – er hatte schon einige Zeit vor mir gebucht. Verrückte Geschichte – überhaupt: am 2. September! Eigentlich sollte es an diesem Tag in die entgegengesetzte Richtung gehen, aber das ist eine ganz andere Geschichte und wird vielleicht (?) erzählt werden.

East West

Flugticket

Zunächst aber zum Thema: Mein Sabbatjahr beginnt in Kürze, ich bin in Gedanken schon auf der Reise. Obwohl das so nicht stimmt. In der Vergangenheit, dort geistern meine Gedanken. Dorthin, wo ich vor vier Jahren war. Stationen in Indien, die Orte, Menschen, Reisebekanntschaften, Kontakte und Freundschaften, die bis heute angehalten haben (hier mit Sidd – Singer, Ryan – Tabla Player, Mehatab – Painting Artist. Wer die Musik von Sidd & Ryan hören will, klickt die Links unter dem Foto an).

Sidd Ryan Mehatab

Victory (SAMPLE) (Darbari Kanada)

Siddharth Chaudhuri – Albela

Deshalb fahre ich hin, besser gesagt ich fahre zurück. Zurück an die Orte, an denen ich so vieles erlebt habe (auch das ist wiederum eine andere Geschichte). Wie wird es diesmal? Wie wird es mir mit meinen Freunden gehen? Lerne ich neue kennen? Was wird anders? Wie lange halte ich es aus? Wird mich Indien wieder so aufnehmen bzw. wie werde ICH Indien aufnehmen?

Non-conceptual Vagabounds_0

(Non-conceptual Vagabonds, Om-Beach in Gokarna, Karnataka, 2010)

Keinen Stress, keine Erwartungen, keine Sorgen, nehmen wie es kommt. Meinem Leben eine Chance geben. Risiken eingehen, Risiken um Neues entstehen zu lassen. Wer mich kennt, weiß welche Risiken ich meine. Normalerweise tendiere ich zu Sicherheitsdenken, agieren in gewohnten Arrangements, solange bis ich von etwas überzeugt bin und dann geh ich es ohne Bedenken an (nun ja, ganz ehrlich: ein bissl mulmig ist mir schon…, aber auch das ist in Ordnung).

Erste Station wird Kathmandu sein. Sebastian, der Architektur studiert und in einem Lepra-Projekt in Bihar für die Errichtung von Lehrerwohnungen die Bauleitung innehat, muss dort einige Dinge erledigen und wichtige Leute treffen. Von dort geht es nach ein paar Tagen nach Little Flower (http://littleflower-india.org/), so der Name des Dorfes, in dem es außerdem eine Weberei (mit wunderschönen Seidenschals), eine Krankenstation, eine Milchfarm sowie eine Schule gibt und das direkt an der nepalesischen Grenze liegt. Vier Wochen will ich bleiben und von dort berichten.

Nachtrag vom 25. August 2014: Soeben erfahre ich von Claudia Vilanek über facebook, dass LITTLE FLOWER die ISO CERTIFICATION bekommen hat:

ISO Certification Little Flower