Delhi 11.10.2013 – 15.10.2013

Herzliche Verabschiedung von Mo und Steffen am frühen Nachmittag, dann ab nach Gaya zum Bahnhof. Dort angekommen erfahre ich, dass mein Zug Verspätung hat – 5 1/2 Stunden! Im ersten Moment bin ich genervt, aber dann rechne ich nach; statt um 5.00 morgens am nächsten Tag komme ich um die Mittagszeit an – viel besser. Also schließe ich mein Gepäck ein, gehe in ein Internet-Café, um Bilder in die Dropbox hochzuladen und nehme in einem kleinen Lokal, in dem nur Inder sitzen ein ausgiebiges Abendessen ein.
Um 19.00 Uhr fahren wir dann endlich los, ich lege mich in mein upper bed, richte mich für die Nacht und lese noch eine Weile. Gut ausgeruht wache ich auf und betrachte die Landschaft, die im morgendlichen Sonnenlicht vorüberzieht.
Kurz nach elf sind wir in Delhi, auf dem Stadtplan sieht es nicht sehr weit zur Arakashan Road aus, wo ich mir ein günstiges Hotel anschauen will. Großen Rucksack einschließen, kleinen Rucksack mit Wertsachen mitnehmen und dann los zum Amax Inn, zu dem ich dann zehn Minuten brauche. Zimmer gibt es, klein, sauber, hot water possible, Dachrestaurant, Wifi kostenlos, sehr nettes Personal. Mein Zimmer hat eine Klimaanlage, die ich jedoch nicht brauche ‚Okay Sir, we switch it off, no problem‘ und dann bekomme ich es sogar zum Non-AC Preis!
Am gleichen Abend lerne ich ein kanadisches Ehepaar kennen, die auf Weltreise sind. Beide sind in Deutschland geboren, als Kinder mit ihren Eltern auf dem gleichen Schiff ausgewandert und haben sich erst als Erwachsene kennen gelernt. Er stellt sich mit Helmut vor und – Überraschung – sein zweiter Name ist Wilhelm! Die beiden haben tolle Geschichten zu erzählen und es wird ein lustiger Abend, als sich noch eine Engländerin mit ihrer Tochter an den Tisch setzt. Helmut sorgt bei mir für einen Lachanfall, als er die Engländerin bat, den letzten Satz zu wiederholen
‚Sorry, can you repeat it? I didn’t understand because of your accent‘!

Am nächsten Tag meldet sich mein Verdauungssystem wieder und ich verbringe den Tag auf dem Zimmer. Bei meinen Medikamenten finde ich die zweite Tablette, die mir Mohammad gab. Ich hoffe sie hilft, denn morgen möchte ich nach Agra ins Taj Mahal, das Zugticket und das Taxi für die Fahrten in Agra sind schon gebucht, außerdem soll das Wetter wunderbar werden.

Agra und das Taj Mahal

Der Morgen beginnt sehr gut, ich bin ausgeschlafen, fūhle mich kräftig und gehe kurz vor halb fūnf zu Fuß zum Bahnhof, wo mich eine Ůberraschung erwartet. Mein Shatabdi-Express erscheint nicht auf der Leuchttafel und ich bin etwas ratlos. Da die Schalter geschlossen sind kann ich nirgends fragen. Man kann wohl meinem Blick ablesen, dass ich irritiert bin, kommt doch gleich ein gut gekleideter netter Inder, der am Zugang zu den Gleisen stand auf, auf mich zu und fragt mich, ob er helfen kann. Da er mit seiner Krawatte und dem Namensschild aussieht wie ein Offizieller, zeige ich ihm die Fahrkarte.
‚Sorry Sir, this train is cancelled, you have to take the Taj Express at 7.00 hours from Hazrat Nizamuddin Station. You can change the ticket at next Tourist Office, get there with Pre Paid Taxi, I show you. Please come with me‘
‚That’s not possible. I have to call my hotel manager because he booked my taxi in Agra.‘
‚No problem, Sir. They can change this booking too‘
‚Häh?‘
‚Yes, please come. The taxi is waiting there‘
‚No, I call my hotel manager first‘
Dann zücke ich mein Mobile und auf einmal seh ich den Typen wegrennen! Schei…, der wollte mich reinlegen und mir etwas anderes verkaufen. So ein Gauner, aber ich Idiot habe solche Sachen vom Bahnhof New Delhi gehört und bin trotdem drauf reingefallen; ich schaue auf die Uhr, nochmal Sch…, in einer Minute fährt mein Zug und ich weiß mein Gleis immer noch nicht. Ich renne zum ersten Gleis und frage im ersten Shop, der Besitzer macht große Augen ‚Train is leaving now at platform 3‘
Und da höre ich auch die Durchsage…
Ich sehe den Zug drüben, im Moment steht er noch. Es sind 50 Meter zur Fußgängerbrücke, die Treppe hoch, 20 Meter rüber und die Treppe wieder runter. Ich sprinte los und auf der Brücke sehe ich wie der Zug den Bahnhof verlässt. Ich schreie ‚My train, my train, f%&§ my train!‘ und stürze die Treppe herunter als wäre eine Horde wilder Stiere hinter mir her. Vor meinem geistigen Auge sehe ich eine Szene aus „Outcast“, wo der Protagonist auch einem Zug in Indien hinterher rennt und erst im letzten Moment sich entscheidet zu springen. Der Zug wird schon schneller, als ich an der Treppe unten ankomme. Schnell schaue ich nach einer offenen Tür, die erste die an mir vorbeizieht, ist durch eine herunter geklappte Bank im Durchgangsbereich eingeengt. Scheißegal, ich werfe meine Rucksack durch die Tür und springe auf die Bank, auf der ich bäuchlings ankomme, die Füße hängen noch draußen, aber ich bin in meinem Zug! Uff!

Ich bin völlig außer Atem, aber heilfroh, dass ich so ein unverschämtes Glück hatte. Nach meinem Abteil muss ich auch nicht suchen, denn ich landete zufällig im richtigen!

In Agra wartet mein weißes Taxi auf mich und der Fahrer scheint ein ganz netter zu sein. Unterwegs halten wir, damit ein Guide zusteigen kann.
‚Sorry, I didn’t book a Guide‘
‚Don’t worry, it’s included!‘
Gut, warum nicht. Der Guide ist ein smarter Typ, Marke Goldkettchen, Polizei-Sonnenbrille, Rolex…
Vor dem Ticketschalter bilden sich schon die ersten Warteschlangen, aber mein Guide geht zu einem geschlossenen Schalter, klopft ans Fenster, ruft „Tourist Guide“ und schwuppdiwupp habe ich meine Eintrittskarte.
Beim Einlass überholen wir die wartenden Inder auf der eigens eingerichteten Touristenspur (der Ausgleich für den 40-fach höheren Preis, Inder zahlen statt 750 Rs nur 20 Rs) Das Wetter ist ideal, blauer Himmel mit ein paar Wölkchen und die Touristenmeute ist noch überschaubar.
Vor vier Jahren war ich vom Glück nicht so gesegnet, denn ich landete an einem Freitag in Agra – ich hatte am Ende meiner letzten Indienreise Zeiten und Wochentage überhaupt nicht mehr so richtig auf dem Schirm – und freitags ist immer wegen des Gottesdienstes in der Moschee geschlossen, was mir aber eigentlich bekannt war. Damals sah ich dann den Taj Mahal vom Garten des Mehtab Bagh auf der anderen Flussseite aus, zu allem Unglück war es zu der Zeit auch noch leicht nebelig.
Deshalb bin ich natürlich nach dem Vorfall am Bahnhof New Delhi jetzt doppelt glücklich, hier zu sein!

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Auf dem Vorplatz am südlichen Tor zum Taj schildert mir mein Guide die geschichtlichen Hintergründe, erklärt einiges zur besonderen Architektur des Grabmals von Mumtaz Mahal, und verklickert mir mit welcher Technik die verschiedenfarbigen 35 Edel- und Halbedelsteine als Einlegearbeiten, Pietra Dura genannt, in den weißen Marmor eingebracht wurden. Ich bedanke mich brav und möchte jetzt das Grabmal sehen.

Marmor Relief 1

Marmor Relief 1

In der Mitte vor dem Tor stehend habe ich das Taj genau in der Öffnung des Bogens, ich schreite hindurch und sehe das Taj Mahal zum ersten Mal in seiner vollen Pracht, Schauer laufen mir durch den Körper, echt Gänsehautfeeling! Für viele mag der Taj Mahal ein netter weißer Kasten zu sein, für mich ist es eines der schönsten Gebäude der Welt!

TAJ MAHAL 1

TAJ MAHAL 1

Nach den obligatorischen Fotos am Eingang mit dem Grabmal im Hintergrund, auf die mein Guide besteht, erkundige ich den Taj alleine,
Treffen ist in zwei Stunden am Eingang.

Die nächsten zwei Stunden verbringe ich mit Fotografieren, Betrachten und Staunen. Ich bin in Höchststimmung, das Wetter und die gut gelaunten Menschen um mich herum tragen ihr übriges dazu bei. Nachdem ich genug geschaut habe, setze ich mich, wie so viele, auf den noch kühlen Marmorboden an der Flussseite des Yamuna hinter dem Grabmal und schaue erst einmal rüber auf die andere Seite, wo ich vor vier Jahren stand. Dann ist relaxen und beobachten angesagt. Immer wenn sich zu viele Menschen angesammelt haben, kommen weibliche Polizistinnen mit ihren Trillerpfeifen und fordern uns akustisch auf, nicht auf den Boden zu sitzen, auch das Sitzen auf den Treppenstufen und Mauerabsätzen ist nicht erlaubt. Nach fünf Minuten sitzen wieder alle, die Geduld der hübschen Uniformierten währt teilweise bis zu 10 Minuten, dann geht das Spiel von vorne los. Immer wieder werde ich von Indern gefragt, ob sie mich fotografieren dürfen. Oft sind es Familien, die dann ihre kleinen Kinder so zu mir setzen, dass mein Tattoo sichtbar ist und manche fragen mich auch ‚Tattoo permanent? Possible to touch?‘ Ich lasse es geschehen und muss mich nicht einmal anstrengen, um mein bestes Lächeln aufzusetzen. Hin und wieder greife ich auch zur Kamera, aber hauptsächlich spiele ich mit den Polizistinnen Aufstehen und Setzen (ich weiß was ihr jetzt denkt, liebe Jungs von der Waldhornschenke, aber: ‚NOT POSSIBLE!‘).

Die Zeit vergeht wie im Flug und langsam werde ich auch hungrig. Auf dem Weg zum Ausgang begegne ich einer Gruppe gehörlosen Jugendlichen, die mich heftig gestikulierend darum bitten, sich mit jedem Einzelnen von ihnen vor dem Taj Mahal fotografieren zu lassen – und das werden dann auch ganz nette Bilder.

Draußen erwartet mich mein Guide und wir gehen zurück zum Taxi, während er mir erzählt, wie schwer es die Guides in Indien haben, und dass die Prüfung sowie die Lizenz eine Menge Geld kostet – ja klar, du bekommst ein Trinkgeld, aber nur ein bisschen.
Wir sitzen im Taxi und nun macht mir der Guide Vorschläge, was wir noch alles besichtigen können. Das Red Fort (nicht spannend, einmal reicht), diesen und jenen Tempel (keine Lust), den Mehtab Bagh (den kenn ich doch zur Genüge) oder ein paar spezielle Werkstätten, in denen man kunstvolle Geschenke erwerben kann ‚Just look, not buy‘ (no no, my friend, auf gar keinen Fall). Außerdem will ich jetzt erst mal was zwischen die Zähne. Der Guide schlägt mir ein Restaurant vor, natürlich ein teures, aber ich habe mir meinen Plan gemacht und möchte in das Viertel Taj Ganj. Dort gibt es nette Dachrestaurants, wo man andere Traveller kennenlernen kann oder einfach zum Relaxen abhängt, um nochmal das Grabmal von Weitem zu sehen.
‚Not possible. Taxi not allowed to drive there‘
‚Possible, my legs are working very well‘
‚Äh, okay. And after lunch, where will we go to?‘
‚Nowhere. Hanging around, maybe I’ll go to see the Kinari Bazar‘
Jetzt ist erst mal Sendepause und nach einer Weile fragt er mich
‚So you don’t need me anymore? If not I’ll go back home and work there‘,
und das in einem entrüsteten, beleidigtem Tonfall.
‚Yes, you may go. I didn’t book a guide and I don’t need you anymore!‘
‚But what is now with me? You are happy (übliche Floskel, wenn die Jungs einen Tip wollen)?‘
‚Yes, I’m happy. Thank you!‘
Ich gebe ihm 200 Rupees Trinkgeld und er schaut erst verdutzt, aber er fragt nicht weiter nach und verschwindet – sichtlich unzufrieden. Mit dem Fahrer tausche ich unsere Mobilnummern aus und verabrede mich für zwei Stunden später.

Im Taj Ganj geht es recht lustig zu. Ständig fahren bunt geschmückte Wagen vorbei, begleitet von überlauter Musik im Bollywood-Style und einer lärmenden, tanzenden Menge vor und hinter den Wagen. Natürlich, klar! Jetzt fällt es mir wieder ein – heute ist einer der höchsten Feiertage der Durga Puja. Die Göttin der Zerstörung, Durga, ist eine Inkarnation von Shivas Frau Devi,die manchmal auf einem Löwen, jedoch meistens auf einem Tiger (!) reitet. Die Leute winken und jubeln, wenn sie mich sehen und wie nicht anders zu erwarten, wir mein Tiger angefasst und bestaunt.
Vom Mumtaz Café aus, wo ich köstlich esse, kann ich dann alles mit Ruhe von oben betrachten. Wie bei dem Fest Holi auch werden hier Farbpulver in die mitziehenden und vorbeilaufenden Menschenmengen gestreut. Auf meinem Rückweg passe ich während des Fotografierens einmal nicht richtig auf und bekomme eine schöne Ladung Farbpulver, hauptsächlich rot, über Kopf, Arme und Rucksack ab.
Mein Fahrer lacht als er mich sieht und scheint auch keine Probleme damit zu haben, dass ich mich mit meinen Kleidern, nur notdürfig von Farbresten abgeklopft, in sein Auto mit dem weißen Leder setze…

Er möchte mir dann eine Werkstatt zeigen und wir vereinbaren, dass ich nur reingehe, nichts kaufe und danach keine Werkstatt mehr angefahren wird.
Die Besichtigung dauert dann ganze 2 Minuten und anschließend fährt er mich ruhig und sicher durch den Trubel auf den Straßen. Hunderte von Wagen mit der Göttin Durga warten noch darauf, die Strecke bis zum Yamuna fahren zu können, wo die Göttin samt Tiger und anderen Requisiten in einer Zeromonie dem Fluss übergeben werden.
In der Nähe des Roten Forts setzt er mich an einem Parkplatz ab und erklärt mir den Weg zum Kinari Bazar und warnt mich gleichzeitig vor den Betrügern und Taschendieben dort.

Der Bazar hat viele schmale, verwinkelte Gassen und gleicht einem Bienenkorb. Frauen, die ihr Obst und Gemüse schreiend anbieten, Kunden, die mit den Händlern lautstark feilschen, lärmende Musik aus kleinen Tempeln, hupende Motorradfahrer, Jugendliche mit Feuerwerkskörpern und auch hier die nicht zu überhörenden Durga-Prozessionen kreieren ein einmaliges, aber auch teilweise nerviges Klangbild, das beginnt meinen Tinnitus anzuregen – zum Glück habe ich heute an meinen Gehörschutz gedacht, mit dem dann all die Geräusche gut gedämpft werden.

Die Gassen in die ich mich wage, werden immer enger und verwinkelter, ich muss aufpassen, dass ich nicht die Orientierung verliere. Als ich um eine Ecke biege lächelt mich ein älterer Mann, der ein kleines Kind auf dem Arm schaukelt, mit breitem Grinsen an.
‚Hello! Hello! Where you from, Sir?‘

‚I am from Germany, Sir!‘
‚Oh, nice. Please come my house. Please come!‘
‚To your house???‘
‚Yes, please. Party! Me, Laxman house!‘

Mir bleibt eigentlich gar keine andere Wahl, weil er mich mit einer freien Hand am Ellbogen führt und gleichzeitig ein zweiter, jüngerer Mann mich von hinten schiebt. Lachend geht Laxman voraus, der jüngere singt hintendrein. Wir biegen um eine Hausecke und kommen zu einem schmalen, dunklen Durchgang. Dann geht es eine steile Steintreppe hinauf und durch einen noch dunkleren Türbogen. Noch ein letztes Mal um eine Ecke und dann öffnet sich der Weg zu einem kleinen Platz, der von vielen Häusern umgeben ist. Laxman ruft etwas und dann geht ein irres Spektakel los. Laute Musik ertönt und aus allen Ecken stürmen Jugendliche singend, hüpfend, tanzend und schreiend herbei; manche rufen ¨Tiger!Tiger!¨ Dann führt mich Laxman wie ein kleines Kind irre lachend zu einem Altar, den er selbst gebaut hat – Durga mit einem riesigen Tiger! Er bietet mir etwas Süßes zu essen an und obwohl ich weiß wie (für meinen Geschmack) übel das Zeug schmeckt, nehme ich an – tanzen muss ich dann auch noch. Ich schlucke das Zeug und geh tanzmäßig etwas ab. Jetzt sind sie schier am Durchdrehen und kommen mir kurz so nah, dass mir kein Platz mehr zum Bewegen bleibt. Laxman schickt sie wieder weg und dann möchte er, dass ich von ihm und seinem Enkel Fotos mache. Die Menge gibt keine Ruhe, bis ich auch mit Laxman vor dem Altar stehe.
Dann scheucht er die Menge zurück, nimmt mich fest in die Arme und führt mich wieder auf die Straße zurück. Oops, what was that? I love India!!!

Mein Körper verlangt nach Nahrung und vor allem nach einem Kaffee. Mein netter Fahrer weiß genau was ich brauche und fährt mich zu einer Filialie von Cafe Coffe Day.
‚Feel free, enjoy and relax. I’ll pick you up in 1 1/2 hours! See you!‘
‚Whow, you made my day. You’re my man, the best driver I ever had‘
Das gefällt ihm sichtlich und er setzt sich lachend in sein Taxi, während ich erwartungsvoll ins Cafe gehe.
In der Auslage sticht mir ein großes Stück Schokoladentorte ins Auge, wozu ich mir einen Capucchino bestelle.
‚Small, medium or large?‘
‚Mhm, show me the small cup, please!‘
‚Hey man, you need a large one! I can see it!‘
Der junge Kerl hinter der Theke grinst breit und ich ebenso. ‚Okay, large!‘ Kuchen, Kaffee sowie Musik sind herrlich und ich genieße die entspannte Atmosphäre und lese eine Stunde…
Mein Fahrer bringt mich pünktlich zum Bahnhof und ich bin total happy. Was für ein ereignisreicher Tag! Der beste Taxidriver Agras bekommt noch 300 Rupees Trinkgeld und dann gehts wieder zurück nach Delhi!

Am nächsten Tag besuche ich den Jama Masjid, die größte Moschee Indiens. Da mir etwas Bewegung fehlt, gehe ich zu Fuß und passiere dabei den lebaften Sadar Bazar, einer der größten Märkte. Ich muss mehrmals nach dem Weg fragen und nach einer dreiviertel Stunde komme ich, durch die aufgrund des nächtlichen Regens stark verschmutzte Straßen, in das Viertel, in dem die Moschee steht. Zuerst muss ich eine Sicherheitsschleuse passieren, an der vier Uniformierte sitzen. Es piept wild, als ich durchgehe, doch keinen der Beamten, die alle auf ihr Mobiles in ihren Händen starren, scheint das zu kümmern. Eine steile Treppe führt zum Eingang hinauf, vor dem große Hinweisschilder mit Verhaltensregeln stehen. Nach dem Tor öffnet sich ein großer quadratischer Platz, in dessen Mitte sich ein flaches Becken mit einem Springbrunnen befindet. Kinder spritzen sich gegenseitig nass und wenn sie es übetreiben, werden sie von Erwachsenen ermahnt, die in dem Becken ihre Waschungen vornehmen. Das Gebetshaus selbst ist zum Hof hin offen, durch Wände geschickt abgeteilt und hat interessante Wand- und Deckenmuster. Viele Männer knien vor den Wänden und beten, andere sitzen zusammen und diskutieren, während gleichzeitig Besuchergruppen lautstark von einem Guide durch die Räume geführt werden. An einer Ecke sitzen zwei ältere Herren und schauen fast gelangweilt in die runde, spielen Karten oder dösen. Ich setze mich in der Nähe der beiden auf den angenehm kühlen Marmorboden an eine Wand gegenüber und gehe einer meiner Lieblingbeschäftigung nach: Leute beobachten!
Irgendwann habe ich genug geschaut und mache einen Spaziergang auf der Mauer. An der südlichen Ecke der Moschee steht das Minarett, das man gegen eine geringe Gebühr besteigen kann. Schmale Stufen, ich zähle 121, führen durch das ziemliche enge Treppenhaus, wobei mich einer der die Ticketkontolleure, bis nach oben begleitet. Was der nicht englischsprechende Typ von mir will, ist mir nicht recht klar, alle anderen Besucher steigen den Turm alleine hoch. Oben gibt es dann eine schmale Plattform und rundherum einen schmalen Absatz, der an der einen Seite nur zehn bis fünfzehn Zentimeter breit ist. Will man nach allen Seiten schauen, muss man auf diesem schmalen Absatz entlang ehen. Ringsherum ist jedoch bis zur Kuppel hoch ein Metallzaun angebracht, an dessen Maschen ich mich gut festhalten kann. Es sind schon sehr viele Besucher oben und ich bin der einzigste Westler. Mein Schatten starrt mich ständig an und nach ein paar Minuten bedeutet er mir wortlos weiterzugehen und zeigt, unterstützt von einem Grunzen, in die Richtung in die ich schauen soll. Ich ignoriere ihn, da ich mit Schauen noch nicht fertig bin und ich gerne langsam weitergehe, außerdem ist im Moment auf der Plattform genügend Platz und jeder hat freien Blick. So umrunde ich allmählich den halben Turm, begleitet von meinem grunzenden und gestikulierenden Anhängsel. Als ich auf der Seite bin, auf der man auf die Kuppeln der Moschee schauen kann, tippt er mir auf die Schulter und zeigt die Stufen hinunter, heftig grunzend. Jetzt reichts aber! Alle anderen (inzwischen auch Westler) sind ohne Quasimodo im Anhang auf dem Turm. Ich verbitte mir sein nerviges Gewedel seinen Händen und warne ihn, mich nicht noch einmal anzufassen! Er schaut nur blöde und ich frage laut in die Runde, ob nicht bitteschön irgendjemand dem Kerl das übersetzen kann. Ich muss das zweimal wiederholen bis sich jemand erbarmt. Endlich trollt die Klette sich und ich kann in Ruhe weiterschauen.
Die Kuppel, die unter uns liegt, wird von unzähligen Tauben bevölkert, die in einem geheimen Rhythmus aufsteigen und wieder landen, meistens als gesamte Gruppe. Zwischendurch versuchen Kytes sich ein paar Tauben zu schnappen und greifen in spektakulären Flugmanövern die Tauben an, jedoch ohne Erfolg. Nach einer Stunde auf dem Turm habe ich genug, außerdem kommt ordentlicher Wind auf, von Osten her kommen dichte schwarze Wolken heran und ich denke, da oben wirds bald sehr nass werden. Gerde noch rechtzeitig bin ich wieder zurück in der Moschee, als ein ordentlicher Regenguss niedergeht. Die einzigsten, die sich darüber freuen, ist die Kinderschar am Brunnen, die die gefließten Umrandungen nun als Rutschbahn verwenden, indem sie Anlauf nehmen und bäuchlings über den glitschigen Marmorboden schlittern. Nach einer Viertelstunde ist der Spuk schon wieder vorbei und ich gehe zum Ausgang, wo ich feststelle, dass meine Flip-Flops verschwunden sind. Ich frage die Aufpasser am Tor und die interessiert das gar nicht, ich hätte die Schuhe ja mit hineinnehmen können. Hier draußen steht jedoch das Riesenschild, auf dem die man aufgefordert wird, die Schuhe HIER auszuziehen. Ich zeige auf das Schild und frage, worauf sie eigentlich hier aufpassen und was das Ganze soll.
‚Wait a minute. I will make a call. Maybe someone took it for going to toilet‘
‚???‘
Keine zwei Minuten kommt einer junger Kerl die Treppen hoch gelaufen – mit meinen Flip-Flops in der Hand. Einer der Wärter redete auf mich ein und ich vertehe in erst nicht
‚Now you pay him‘ ‚What???‘ ‚You pay 100 Rupees, he took care of your shoes!‘
‚I didn’t expect to have my shoes stolen in front of a holy place and then be asked for money just for following the rules on your signboard!‘
‚No, your fault! Pay him‘
‚You are crazy people here!‘
Ich drehe mich um und gehe‘ nachdem ich noch (sorry) das F-Word los werden musste, die Stufen hinunter. Wieder reagieren die Beamten nicht auf das Gedudel der Sicherheitsschleuse…

An meinem letzten Tag in Delhi unternehme ich einen langen Spaziergang zum Connaught Place und von dort ab fahre ich mit der Metro für acht Rupien ein paar Stationen bis zum Lodi Garden, einer der schönssten Parks in Delhi, der in der Hauptsache von Streifenhörnchen und Händchen haltenden Liebespaaren bevölkert wird. Einige Enten, Schwäne und Pfaue gibt es hier auch, aber vor allem herrscht hier Ruhe und das Auge bekommt Grün satt. Hier lasse ich es mir ein Weile gut gehen bis mich der Hunger packt und ich zum Khan Market fahre, um dort im stilvollen, mit italienischem Ambiente ausgestatteten Amici, eine teuere, aber leckere Pizza verzehre, wobei mir von der Wand herab Marilyn Monroe gelassen zuschaut.
Dann wird es Zeit und ich nehme die Metro bis zum Bahnhof New Delhi. Diesmal sind alle Abteile dicht gepackt und man Schwierigkeiten beim Hinein- nd Herauskommen – zum Glück sind es nur vier Stationen. Zurück im Hotel gibt es einen letzten Hot Ginger Lemon Honey, dann packe ich schon mal für morgen früh – Jaipur is waiting!

Veröffentlicht unter Delhi

Bodhgaya 7.10.2013 – 10.10.2013

Es wird 22.30 Uhr bis ich in Gaya ankomme, trotzdem ist der Bahnhofsvorplatz voll mit Rikshawfahrern, die mich sofort umschwirren. Es sind ungefähr 15 km bis nach Bodhgaya und so bin ich zufrieden, dass ich die Fahrt für 250 Rs bekomme. Wir kommen kurz nach 23 Uhr in Mohammad’s Guest House in Bodhgaya an. Die beiden Fahrer wollen mich in der Ortsmitte aussteigen lassen und es gibt eine lange Diskussion (wieder einmal…) und ich hab keine Lust das hier auch noch zu verschriftlichen. Das Guest House liegt etwas außerhalb vom Zentrum, es hat geregnet und die schmale, glitschige Gasse liegt völlig im Dunkeln. Der Hausverwalter Mo ist mit einer großen Taschenlampe bewaffnet und leuchtet mir den Weg. Ich bin dann sehr überrascht über mein Zimmer, das für 300 Rs sehr gut ausgestattet ist. Marmorfliesen, großes Doppelbett mit sehr guter Matratze, moskitosichere Fenster, blitzsauberes gefliestes Bad, Dusche mit kräftigem Strahl und heißes Wasser rund um die Uhr.

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Ich bin müde, durstig und vor zwei allem hungrig und ich frage Mo, ob es noch Sandwiches oder ähnliches gibt, aber er schüttelt den Kopf. ‚Nothing in Fridge, kitchen closed – but I can make you a quick noodle soup‘! Während ich mich einrichte und eine heiße Dusche nehme, werkelt Mo in der Küche und serviert mir dann eine köstliche Suppe, dickflüssig mit allem erdenklichen Gemüse, lecker lecker! Nach den langen Strapazen esse ich gierig, als hätte ich nie eine bessere Suppe genossen. Danach lege ich mich ins Bett unds schlafe auf der Stelle ein.

Dorfleben

Gegen 7.00 Uhr wache ich auf und steige erst einmal auf die Dachterrasse, ringsherum stehen einfache Häuser sowie Strohhütten und in den Gassen herrscht ein reges Treiben; es wird Tee gekocht, Teig für Chapatti zubereitet, Holz für die Feuerstellen gehackt, das Haus ausgefegt, der Weg vor der Wohnung mit Wasser besprengt, Hauswände gestrichen, Strohdächer erneuert, Wäsche gewaschen, Decken auf dem Dach gelüftet, genäht, geflickt und gestritten.P1050906 P1050898 P1050897

Kinder führen Schafe oder Ziegen durch die Gassen, ein junges Mädchen tanzt mit einem Baby fröhlich lachend im Kreis, Männer machen sich auf den Weg zu ihrer Arbeit, kleine Jungs treiben mit Stöcken Reifen vor sich her, Hunde jagen Katzen – Dorfleben pur.P1050948

Kinder in Bodh Gaya

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Als ich später auf dem Weg zur Tempeltour durch Miya Bigha, so heißt das Dorf, laufe werde ich nicht besonders beachtet, kein ‚Hello, where you from?‘, keine Kinder, die einem hinterherlaufen und betteln, niemand der mir etwas verkaufen will. Aber sie sind nicht unfreundlich und beantworten mein ‚Namaste‘.

Ich fühle mich gleich am ersten Tag wohl in Bodhgaya. Die breiten Straßen und die Weite der Natur sind eine Wohltat noch der Enge und Hektik in Varanasi. Gleich am ersten Abend werde ich, auf der Dachterrasse den Tag ausklingen lassend, mit einem wunderschönen Sonnenuntergang zur Nacht verabschiedet.P1050902 P1050901

Tempel, Klöster und Statuen

Wahrscheinlich kennt so ziemlich jeder die Geschichte von Prinz Siddhartha Gautama, der unter einem Feigenbaum sitzend zur Erleuchtung kam. Über 100 Jahre nach Gautamas Tod, verehrte Ashoka, der im 3. Jhd. v. Chr. einen Großteil von Indien beherrschte, diesen Baum. Seine Frau war wohl eifersüchtig auf den Bodhibaum und vergiftete ihn mit giftigen Dornen. Ashokas Tochter Sanghamittaer fand die Tat ihrer Mutter nicht angemessen und brachte einen Ableger des Sri Maha Bodhi, wie man den Baum nannte, nach Sri Lanka. Der heutige Feigenbaum im Mahabodhi-Tempel ist ein Ableger dessen. So zumindest die Geschichte…

Außer diesem Tempel gibt es eine Vielzahl verschiedenster Klöstern und Tempeln, manche bunt und reich verziert, wie zum Beispiel der Tibetian-Karma-Tempel, andere dagegen, so der Indosan-Nipponji-Tempel, japanisch einfach und schlicht. Am meisten beeindruckt mich jedoch der Royal-Bhutanese-Tempel, außen und innen sehr bunt, aber für meinen Geschmack in angenehmen Farben, weist dieser Tempel mit einer Besonderheit auf. Von weitem wirken die Motive sehr lebendig und erst aus einer gewissen Entfernung erkennt man, dass die religiöse Szenen an allen Seitenwänden dreidimensional eingearbeitet sind.

Hier eine kleine Auswahl der für mich interessantesten Tempel:

Tibetian Karma Temple

Tibetian KarmaTemple3 Tibetian KarmaTemple1 Tibetian KarmaTemple11 Tibetian KarmaTemple12 Tibetian KarmaTemple5 Tibetian KarmaTemple4 Tibetian KarmaTemple6 Tibetian KarmaTemple8 Tibetian KarmaTemple7 Tibetian KarmaTemple10 Tibetian KarmaTemple13 Tibetian KarmaTemple2 Tibetian KarmaTemple14

Indosan Nipponji Japanese TempleIndosan Nipponji Japanese Temple2 Indosan Nipponji Japanese Temple3 Indosan Nipponji Japanese Temple5 Indosan Nipponji Japanese Temple4 Indosan Nipponji Japanese Temple1Royal Bhutanese TempleRoyal Bhutanese Temple1 Royal Bhutanese Temple2 Royal Bhutanese Temple3 Royal Bhutanese Temple11 Royal Bhutanese Temple10 Royal Bhutanese Temple4 Royal Bhutanese Temple6 Royal Bhutanese Temple5 Royal Bhutanese Temple8 Royal Bhutanese Temple7 Royal Bhutanese Temple9Royal Bhutanese Temple13 Royal Bhutanese Temple12

Ich mache mich frühmorgens um 8.00 Uhr auf, um mir ein paar Tempel anzuschauen, außer Obst- und Gemüsehändlern, Rikshawfahrern, Bettlern und ein paar Mönchen ist kaum jemand unterwegs. In den Tempeln ist noch niemand zu sehen und ich kann mir, so wie ich es mag, alles in Ruhe anschauen.
Meine erste Station ist die 25 Meter hohe Buddhastatue am Ende der Tempelstraße, die der Dalai Lama im Jahr 1989 enthüllte. Obwohl aus Stein, wirkt die Statue sehr lebendig und strahlt eine friedliche Ruhe aus.

Giant Buddha Statue1 Giant Buddha Statue3 Giant Buddha Statue2 Giant Buddha Statue5 Giant Buddha Statue4 Giant Buddha Statue6Ich nehme mir viel Zeit, um die zehn kleineren Statuen, die auf drei Seiten um den Buddha aufgestellt sind, genau zu betrachten. Sie sollen Jünger von Buddha darstellen, wobei jede Skulptur eine unterschiedliche religiöse Geste zeigt. Einige Finger- und Handhaltungen erinnern mich an Szenen meines Pantomime-Lehrers Peter Makal, andere an die Tanzdarbietung von Ramli Ibrahim, den ich vor vier Jahren in Puri kennenlernte. Leider sind mir die Bilder der Jünger abhanden gekommen…Giant Buddha Statue7Nach zwei Stunden habe ich genug gesehen und gehe noch ein bisschen durch die äußeren Bezirke von Bodhgaya und komme an einer Schule vorbei in der lautstark und singend im Chor gelernt wird. Ich höre eine Weile zu und halte einige Minuten mit dem Diktiergerät fest – schönes Spielzeug! (School Bodh Gaya)

Mönche, Freunde und Wohltäter

Ich habe es heute langsam angehen lassen und komme relativ spät am Mahabodhi Tempel an, es ist heiß und am Eingang zum Tempel bekomme ich mit, wie Besucher wieder weggeschickt werden, weil sie ihre Smartphones und Mobiltelefone in der Tasche haben. Außerdem braucht man ein extra Ticket. wenn man fotografieren will, ach ja – und keine Schuhe hier vor dem Eingang hinterlassen. Der Ticket Counter ist am Beginn der Allee und jetzt müsste ich sie wieder ganz zurücklaufen, Tickets besorgen, Kamera-Token bezahlen, Schuhe abgeben und wieder barfuß die aufgeheizte Allee zurück und irgendwie hab ich dazu null Bock. Also setze ich mich in der Nähe des Eingangs auf ein niedriges Mäuerchen und beobachte die vorüberziehenden Menschen.Mahabodhi Temple7

Tibetische Mönche, Sadhus, indische Familien, lärmende Schulklassen mit ihren gestresst dreinblickenden Lehrern (ha!), langhaarige Westler in abgerissener Kleidung, japanische Ehepaare (er im schwarzen Anzug mit Sonnenbrille, sie im typisch schwarz-weißen Kostüm mit Mundschutz, weißen Handschuhen und dem obligatorischen schwarzen Sonnenschirmchen), große Gruppen indischer Frauen in wundervollen, glitzernden Saris, über und über behängt mit Gold am ganzen Körper, sowie ganz normale Touristen wie mich – was sonst…
Nach einer Weile setzen sich zwei junge Inder neben mich, beginnen eine zwanglose Unterhaltung über Gott und die Welt, erzählen mir ihren Traum von einem besseren Indien, in dem alle indische Kinder die gleichen Zukunftschancen haben und laden mich schließlich ein, ihr Dorf auf der anderen Seite des Flusses zu besuchen. Dort befindet sich auch eine kleine Schule, die die beiden Studenten unterstützen. Wir machen zunächst einen kleinen Spaziergang durch ein paar Seitenstraßen, nehmen Abkürzungen im Zickzack-Kurs und am Ende einer Sackgasse schlüpfen die Jungs durch eine niedrige Holzkklappe. Kurz schießt mir der Gedanke durch den Kopf ‚Du gutgläubiger Idiot, jetzt wirst ausgeraubt!‘, aber ich vertraue wieder mal meinem Bauchgefühl und krieche ebenfalls durch. Auf der anderen Seite erwartet mich ein kleiner Ghat an einer Flussbiegung mit einer herrlichen Aussicht auf die umliegenden Hügel. Surya und sein Freund zeigen mir einen kleinen Tempel, in dem gerade Vorbereitungen für die Durga Puja getroffen werden, sowie einen Stall mit einem Arbeitselefanten. Der weitere Spaziergang führt uns entlang des Flusses Fulga bis zur Sujata-Brücke, die zum gleichnamigen Dorf führt.Landschaft10 Landschaft9 Landschaft8

Dort schlendern wir vorbei an einfachen Hütten und parzellierten Feldern, auf denen fleißig gearbeitet wird. Ich sehe Gobi (Blumenkohl), Eggplants (Aubergine), Cucumber ( Gurke ), Lady Fingers (Okra) und einige, die ich nicht mit Namen kenne.Landschaft7 Landschaft6 Landschaft5 Landschaft4 Landschaft3 Landschaft1 Landschaft2

Wir kommen am der Schule vorbei und ich werfe einen Blick in die Klassenzimmer – eng, dunkel, manche ohne Tische und Stühlen, Ausstattung gleich null.Wohltäter1 Wohltäter3 Wohltäter2

Schließlich werde ich von Surya eingeladen, in seinem Haus einen Chai zu trinken. Wir sitzen auf der Dachterrasse und er erzählt mir von der Schule. Alle Menschen, die ein gutes Herz haben sollten Kinder- und Schulprojekte unterstützen. Falls ich helfen will, wäre er froh, wenn ich etwas Geld geben könnte. Ich frage ihn nach Prospekten, Flyern. Website usw., leider Fehlanzeige und Kontonummer gibt es auch keine, ‚Cash is better, you know, Government tax and so on…‘. ‚No, I never give cash and I like to know exactly to which organisation I spend my money!‘ Eine unangenehme Pause entsteht, der Tee ist alle und es wird auch schon dunkel. ‚Sorry, but now I wann go back to my hotel!‘. Surya und sein Freund wollen mich schnell nach Bodh Gaya zurückbringen und das geht am schnellsten mit dem Motorrad. Also schwingen wir uns zu dritt auf das Zweirad und düsen zurück.Wohltäter4 Wohltäter5

Surya möchte mit mir morgen eine Tour zu den Höhlen machen, in denen Buddha wochenlang fastete und meditierte. Er würde mir das gerne zeigen und er verspricht mir, nicht mehr über Geld zu reden. Okay, mal sehen.

Abends schlendere ich durch den Ort und treffe einen jungen Mönch, der mich unbedingt zum Tee einladen möchte. Gut warum nicht. Er ruft noch zwei Freunde herbei, einen weiteren Mönch und einen Studenten. Wir landen in einem kleinen Restaurant – ich dachte, es geht zu ihnen ins Kloster oder so – nun ja, zumindest ist dann auch klar, wer wen einlädt! Im Verlauf unserer Unterhaltung reden wir über die von der Gesellschaft Benachteiligten und über die enorme Bedeutung von guter Erziehung und Bildung – aha, dreimal raten was jetzt kommt…! Ich nehme ihnen den Wind aus den Segeln ‚I guess you support poor children that they can go to school and your next question is about money, am I right?‘ Ich bezahle den Tee und mache mich auf den Weg. Betroffenes Schweigen, doch die Jungs geben nicht auf. Der Student will mich für morgen zum Bier einladen ‚Don’t worry, I’ll pay!‘ ‚Don’t like beer‘ ‚Okay, I know good place for Whiskey‘ ‚Don’t like Whiskey‘ ‚Then redwine‘ ‚Don’t like any kind of alcohol!‘ Bevor ich mich   für die nette Unterhaltung bedanke, echauffiere ich mich noch etwas bezüglich Mönche, Alkohol, Bodh Gaya und was sie eigentlich glauben warum ich hier sei, wegen Bier und Whiskey? Dann wünsche ich ihnen noch einen guten Abend und gehe noch zu einem zwei Kilometer entfernten Luxushotel, weil ich von dieser ganzen scheinheiligen Bettelsch… genug habe und bestelle: mein teuerstes Bier ever in India!!! Es ist schon sehr spät geworden und Bier ist, wenn überhaupt, nur noch hier zu bekommen. Eine halbe Stunde später ruft mich Mo an, er macht sich Sorgen und will wissen wo ich bleibe ‚Be careful, don’t go alone through town so late in night! ‚ ‚Don’t worry, I’m back in 15 Minutes!‘ Mo ist einer von der Sorte Mensch, die seine Job sehr ernst nehmen! Immer um das Wohl der Gäste besorgt und nicht nur das Dollar/Eurozeichen vor Augen! Ich bin sehr dankbar, hier bei ihm gelandet zu sein! Am nächsten Morgen habe ich ein langes Gespräch mit Mo. Ich erzähle ihm von den Wohltätern und Mönchen. Er kennt die ganzen Geschichten; die Schulen existieren und auch die Kinder, aber das Geld, das die Typen einsammeln geht zum Großteil in ihre eigenen Taschen und bei den Mönchen ist es sogar so, dass das Geld erst mal komplett bei ihrem Kloster landet und dann … who knows! Er empfiehlt mir, auf keinen Fall Geld zu geben. Direkt in den Schule helfen wäre eine bessere Möglichkeit. Wir wechseln das Thema und Mo erzählt mir von seinem Dorf und von seinen Kindern, denen er eine gute Schulbildung ermöglicht und hart dafür arbeitet. Einmal im Jahr nimmt er sich ein paar Tage Urlaub und zwar an Weihnachten. Er und seine gesamte Verwandtschaft sind Christen, aber er möchte nicht, dass sein Chef Mohammad das erfährt.

Ich mache mich auf, um heute endlich den Mahabodhi-Tempel zu besuchen und treffe unterwegs meine Mönche von gestern Abend. Sie grüßen mich kurz, schauen schnell weg und gehen dann in eine andere Richtung.
Im Tempel herrscht Hochbetrieb, viele Mönche liegen auf Gebetsmatten auf den vielen kleinen Grasflächen um den Tempel herum und rezitieren ihre Mantras, und ein ständiger Strom von Besuchern ist am Kommen und Gehen. Ich mache mich gleich auf zum „Heiligen Baum“, unter welchen man sich jedoch nicht setzen kann. Zum einen ist am Fuß des mächtigen Stammes ein kleiner Altar zum anderen ist der Bereich so abgesperrt, dass man dem Baum überhaupt nicht nahe kommen kann, auch nicht den ausladenden Ästen. Sicherheitsleute passen auf wie ein Luchs, dass sich ja niemand am Baum vergreift. Vor kurzem haben hier Mönche kleine Zweige abgeschnitten, um sie für gutes Geld an reiche Touris zu verkaufen. Hinter der ganze Geschichte steckte jedoch einer der Vorsteher des Tempels! Very, very holy!Mahabodhi Temple6 Mahabodhi Temple5 Mahabodhi Temple4 Mahabodhi Temple1 Mahabodhi Temple2 Mahabodhi Temple3Bodhi Tree

Ich schieße ein paar Bilder und plötzlich bin ich sehr müde und denke nur noch an mein Bett, weshalb ich den Besuch abbreche. Draußen treffe ich Surya, der wegen der Tour zu den Höhlen auf mich wartete, aber ich fühle mich schwach und fiebrig und wimmele ihn ab. Zu Hause falle ich ins Bett, schlafe aber nur kurz, weil mich ein dringendes Bedürfnis weckt. Das geht dann den ganzen Tag und gegen Abend frage ich Mo, ob er mir einen Toast oder etwas Reis bringen kann. Nach kurzer Zeit kommt er mit einer Medizin zurück ‚Just one pill, tomorrow feeling better. Don’t worry, cleaning process!‘, die ich dann auch einnehme. Am nächsten Morgen bin ich fit für meine Tour zu den Höhlen, wofür mir Mo eine Rickshaw zu einem vernünftigen Preis besorgt hat.

Die Fahrt zu den Höhlen führt zunächst entlang des Flusses Fulga, wo Frauen Wäsche waschen und Männer geduldig mit ihren Angeln auf einen Fang waren oder übermütige Jugendliche ein Bad genießen, natürlich in voller Montur. Gemüse- und Reisfelder wechseln sich ab, im Hintergrund liegen, in der Sonne strahlend, die felsigen Hügel. Kaum hupend und Hindernissen geschickt ausweichend tuckert mein Fahrer behutsam über die belebte Landstraße, bis es nach 20 Minuten rechts in eine Nebenstraße abgeht. Nun fahren wir durch mehrere kleine Dörfer, in denen hauptsächlich Lehmhäuser stehen, aber auch einige Steinhäuser sowie Strohhütten. Immer wieder sieht man an allen möglichen Wänden und Mauern zum Trocknen angebrachte Kuhfladen.Buddhas Höhle1 Buddhas Höhle4 Buddhas Höhle5 Buddhas Höhle3 Buddhas Höhle2 Buddhas Höhle23 Buddhas Höhle24 Buddhas Höhle25

Nach weiteren 20 Minuten kommen wir am Fuße des Hügels mit dem heiligen Höhlen an. Es wird ein steiler Aufstieg, jedoch ist die Strecke dann kürzer als sie zunächst erscheint.Buddhas Höhle19 Buddhas Höhle6

Die Höhlen selbst sind dann recht unspektakulär, aus einer wurde ein kleiner Tempel gemacht, der praktisch von Felsen umgeben ist, die andere übersieht man fast: eine kleine rechteckige Öffnung, zu der man sich bücken muss, dahinter erst mal Schwärze. Nach und nach erkennt man im Licht von schwach fackelnden Kerzen einen kleinen Schrein im Hintergrund, zwei Mönche singen Mantras. Eine Weile schaue ich mich um und entdecke in einem der Tempel zum ersten Mal Swastika-Zeichen, die sowohl links- als auch rechtsläufig sind. Bisher hatte ich das noch  nie in Indien gesehen. Buddhas Höhle7 Buddhas Höhle10 Buddhas Höhle11 Buddhas Höhle12 Buddhas Höhle8 Buddhas Höhle13 Buddhas Höhle14

Anschließend setze ich mich draußen auf eine Steinbank, höre eine Weile den noch immer singenden Mönchen zu (Monks in Bodh Gaya Cave singing Mantras) und schaue in die Ferne. Ein einsamer weißer Hund tut es mir gleich. Ob er jedoch ebenso zuhört, erschließt sich mir aus seiner Körperhaltung her nicht. Der Blick in die Ferne und die Ruhe tuen gut. Schließlich weht der Wind leise das Hupen der Fahrzeuge vom Tal unten herauf. Die Zeit vergeht und als eine größere, lärmende Gruppe sich nähert, verschwinde ich wieder.Buddhas Höhle15 Buddhas Höhle18 Buddhas Höhle21 Buddhas Höhle20 Buddhas Höhle17

Am Abend lerne ich in Mohammad’s Restaurant einen Deutschen kennen, der über eine Zeitung gebeugt plötzlich mehrmals laut herauslacht. Er könnte glatt als Jesus durchgehen und ich setze mich, neugierig wie ich bin, zu ihm. Steffen, ehemals als Verlagskaufmann und Geschäftsmann tätig, ist eine Art Aussteiger und zieht nun als Schamane durch die Welt. Eigentlich ist er Golflehrer, hat aber anscheinend auch davon genug. Wir tauschen Geschichten aus, wobei er mehr redet als ich, und wir amüsieren uns köstlich. Mit Steffen treffe ich mich nun regelmäßig zum Essen in Mohammads, wo man übrigens seine Bestellungen selbst aufnotiert.In Mohammads Restaurant

Beim gemeinsamen Essen stellt sich auch heraus, dass Steffen Vegetarier ist und auf alle Genussmittel verzichtet, jedoch Schokolade muss sein! Gemeinsam besuchen wir kurz vor Sonnenuntergang noch einmal die imposante Buddhastatue, wo er mir einiges über die Handhaltungen der zehn Jünger Buddhas erklärt.

Giant Buddha Statue10 Giant Buddha Statue9 Giant Buddha Statue11Steffen hat längere Zeit mit einem Sadhu zusammengelebt und weiß dementsprechend einiges über den Hinduismus und Buddhismus zu erzählen. Gerne wäre ich mit ihm weitergezogen um ihn näher kennen zu lernen, aber sein Weg führt in die Berge, meiner nach Delhi. Er wird mir mit seinen Geschichten und seiner Verrücktheit fehlen! Tschüß, mein Schoko-Schamane, wer weiß, vielleicht sehen wir uns ja wieder!

Varanasi 1.10.2013 – 6.10.2013

Bei meiner Ankunft in Varanasi, der heiligen Stadt am Ganges mit den vielen Ghats, unzähligen Tempeln und engen Gassen, muss ich erst einmal einige Schlepper abwimmeln, die mir ‚verrry cheap‘ eine Rickshaw besorgen können. Bei dem Preis von 400 INR entkommt mir ein lautes Lachen. Ich habe keine Ahnung, wie weit es tatsächlich zu meinem Hotel ist, denn die Karten im Lonely Planet sind nicht immer genau, aber dieser Preis ist für ca. drei Kilometer entschieden zu viel. Das übliche Spiel, das mich die nächsten Wochen zwangsläufig begleiten wird, beginnt. Er läuft mir hinterher und reduziert den Preis auf 300, ich ignoriere ihn und der nächste hängt sich an mich und will die Tour für 200 machen. Ich laufe einfach weiter und draußen hält mich ein dritter an, der die ersehnten Worte spricht:

‚Pre-Paid Taxi, Sir!‘
‚How much?‘
‚Which Hotel, Sir?‘
‚Puja Guest House.‘
’75, Sir‘
‚Theek hai. Acha‘

Na also, geht doch! Mein Fahrer bringt mich so weit wie es geht, den Rest führt er mich durch ein Gewirr von engen Gassen, die man hier Galis nennt, bis zu meinem Hotel. Wir sind so oft links und rechts abgebogen, dass ich meine Orientierung verloren habe, zumal mir alle Galis zunächst sehr ähnlich erscheinen.
Man zeigt mir ein geräumiges Zimmer mit viel Platz und einem sehr sauberen Bad im zweiten Stock für 500 INR, die billigeren sind mit Gemeinschaftsbad, aber ein Blick genügt mir für die Entscheidung fast das doppelte zu bezahlen. Gepäck verstauen, Bett mit meinem Sonne-Mond-Bedcover verschönern (sehr wichtig), Safe befestigen, Moskitonetz aufhängen (sofern nötig), duschen, rasieren, neue Kleider auswählen, danach einen heißen Ginger-Lemon-Honey, etwas Feines zu essen und zum Abschluss einen Chai (falls vorhanden ist ein Coconut Pancake, am liebsten mit Chocolate, obligatorisch) – so in etwa verläuft ab jetzt mein Ankunftsritual in jeder neuen Unterkunft.

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Ganges3

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Ich genieße auf dem höchsten Dachrestaurant der Stadt den Ausblick auf den zurzeit wenig Wasser führenden Ganges. Der Himmel ist trüb und Wolken ziehen auf, dann unternehme ich meinen ersten Rundgang durch die Gassen und natürlich verirre ich mich – trotz meines guten Orientierungssinnes. Links und rechts der Galis sind Geschäfte, Lokale, Hotels, Garküchen, Lassi-Shops und Tempel.

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Schwierig wird es, wenn Leute stehen bleiben, um sich etwas anzuschauen, von der einen Seite laut hupend Motorräder heranbrausen und von der anderen Seite eine stattliche Kuh unbeirrt ihren Weg zieht. Man macht sich so klein wie möglich oder schlüpft in einen Shop. Ganz besonders interessant ist das Ganze, wenn ein Trauerzug durch die Gassen in Richtung Verbrennungsstätte zieht, hier gibt man am besten den laut ‚Ram Ram‘ rufenden Gruppen den Vortritt.

Es gibt Ghats, an denen die Verstorbenen rund um die Uhr verbrannt werden und so ist es unausweichlich, dass man ständig diese Trauerzüge, die oft halb rennend die Toten durch die Galis tragen, zu Gesicht bekommt während man vielleicht gerade mit einem Verkäufer feilscht, an einem Stand einen Chai trinkt oder gar einen Imbiss verzehrt. Ich erlebe nicht wenige Touristen, die bei diesem Anblick erschrocken reagieren.
Im Blue-Lassi-Shop (lecker, lecker) sitzt eine größere Gruppe weiblicher Touristen mit einem indischen Guide. Manche halten sich die Hand vor den Mund, anderen entschlüpft ein ‚Oh my God!‘ und eine Frau fragt leicht erregt ihren Führer „That’s a body (=Leiche), isn’t it?“

Blue Lassi2

Blue Lassi1

Mich berührt die Sache auch irgendwie, wobei es mir nichts ausmacht, wenn Leichen an mir vorüber getragen werden. Jedoch dauert es einige Tage, bis ich eine Verbrennungsstätte aufsuche, und das auch mit einem gehörigen Abstand.

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Um die Zeremonie an einem Verbrennungsghat zu beobachten braucht man Geduld und gute Nerven wegen den vielen Schleppern und Guides, die einem die beste Aussicht zeigen oder die Rituale erklären möchten. Geht man auf sie ein, verlangen sie sofort Rupees und reagieren recht sauer, wenn man kein Geld gibt (auch wenn man noch gar keine Leistung in Anspruch genommen hat). Also stelle ich meine Ohren auf Durchzug und ziehe wortlos weiter, sobald mich jemand anspricht und das ist mir eigentlich unangenehm, da ich gerade mit Fremden gerne kommuniziere. Manchmal mache ich mir einen Spaß und spreche die Kerle an, bevor sie ihr Sprüchlein zu Ende bringen können:    „I don’t need you. I’m every year in Varanasi and I know all about the Ghats, but I can show you good places for good price! You like?“ Das hilft immer, obwohl ich weiß, dass das auch nicht unbedingt nett ist, schließlich müssen die Typen sich damit ihren Lebensunterhalt verdienen, aber wenn du das tagelang zigmal hörst, brauchst du manchmal irgendein ein Ventil, wenn du nicht aggressiv werden willst.

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Abends gibt es auf der Dachterrasse meines Hotels Tabla- und Sitarkonzerte, aber nach dem ersten Abend weiß ich, dass ich nicht jedesmal Zuhörer sein werde. Die Jungs bemühen sich, aber offensichtlich sind sie hier, um gemeinsam vor Publikum zu üben. Am nächsten Tag habe ich mein Frühstück in der German Brown Bakery und lese einen Anschlag über die abendlichen Konzerte hier. Okay, Frühstück war hervorragend. Warum also nicht das Abendessen und die Musik testen?

Meine Entscheidung stellt sich als glücklich heraus. Das Essen ist fantastisch, die Musik ist ausgezeichnet und schließlich lerne ich ein paar nette Leute kennen, darunter Marco, ein lustiger Italiener, den ich schon am Nachmittag auf der Flucht (alle meine Strategien haben versagt, ich geb’s ja zu) vor einem nervigen Schlepper kennengelernt habe. Aus einem kleinen Raum ertönen Sitarklänge, die Tür steht offen und ich schaue neugierig um die Ecke. Ein junger Inder, der sich Gollu nennt, winkt mich herein, bietet mir Sitzplatz und Chai an. Ein Sitarlehrer gibt gerade zwei Westlern Unterricht und scheint sich an zusätzlichen Zuhörern nicht zu stören.

Baba Jugalgiri gi - Varanasi

Jugalgiri ji2

Ich verbringe so ziemlich jeden Abend im Brown Bakery um dort die Musik und das Essen zu genießen. Hier liegt man oder schneidersitzt an niedrigen Tischen und nutzt die vielen Kissen und Polster, um es einem so gemütlich wie möglich zu machen. Die Konzerte wechseln wischen Sitar/Tabla und Sitar/Flute, wobei der Tablaspieler immer derselbe ist. Mit der Zeit wird der Tisch seitlich neben dem Tablaspieler mein Stammplatz und ich freunde mich mit Rishdu an.

BrownBakery1

Flute

Nach dem Konzert quatschen wir miteinander und hören gemeinsam Musik von unseren Phones. Wir spielen uns gegenseitig Lieblingsstücke vor, wobei jeder einen Stöpsel des Kopfhörers im Ohr hat. Ich spiele ihm die Musik von Sidd und Ryan vor und lasse auch ein paar Stücke von BABBELS laufen, einer schwäbischen Weltmusik-Produktion von und mit Gündalji Schnupfenspray (der Insider ist für jemand ganz Bestimmten gedacht).
Das gefällt ihm alles, aber das Highlight kommt, als ich ihn frage, ob er Opern kennt. ‚Opa what?‘ ‚Opera!‘ ‚No, show me!‘ Wir liegen also gesättigt, gekingfishert und ohrengestöpselt Kopf an Kopf auf unseren Kissen und ich wähle für ihn meinen Lieblings-Pavarotti aus: Nessun Dorma! Er macht große Augen und ist beeindruckt! Den Spaß gönnen wir uns ab jetzt jedes Mal so lange, bis das Bakery schließt. Am letzten Abend gibt es demnach einen emotionalen Abschied…

Brown Bakery mit Gollu und Rishdu

Tagsüber hänge ich im Blue Lassi Shop herum, sitze an den Ghats oder streife durch die Galis. In den Gassen ist es manchmal echt anstrengend, ständig werde ich in einen Shop gebeten, bekomme Waren direkt unter die Nase gehalten oder werde in Gespräche verwickelt, die oft nach folgendem Muster ablaufen (Indienreisende kennen das):

‚Which gantrrry?‘
‚Germany‘
‚First time India?‘
‚No, bye‘
‚Stop Sir!‘
‚What d’you want?‘
‚Just talking, improve my English‘

Hin und wieder lasse ich mich darauf ein, ich habe ja Zeit und eventuell ergibt sich etwas interessantes. Aber es endet fast immer damit, dass man mir eine Tour, eine Massage, irgendwelche Waren anbietet oder einen Geheimtipp für einen speziellen, exklusiven Shop eines Freundes anbietet (‚I tell him to make good price, because I like you, my friend‘)!

Es dauert nicht lange, bis mich das anfängt zu nerven, aber dann schwinge ich mich darauf ein. Entweder ignoriere ich die Jungs oder ich biete ihnen während des Gespräches meine Waren an, immerhin habe ich ja Schals aus Little Flower zu verkaufen.
Am einem Nachmittag begegne ich einem smarten, breit grinsenden Inder, der mich schon von weitem anspricht. Ich bin im Moment total gut drauf und spreche ihn auf sein T-Shirt an (I ♡ Paris).

Prakash

Er erzählt mir, dass er in Paris war, um seine Freundin zu besuchen. Dann will er wissen, was ich hier so mache und ich antworte ihm spontan.

„Business.“
„Oh, what kinda?“
„I’m selling scarfs.“

Das interessiert ihn sehr und ich beginne meine Story zu erzählen. Er unterbricht mich und fragt, ob ich Lust auf einen Chai hätte, dann könnten wir uns gemütlich in seinem Shop unterhalten. Okay, warum nicht. In seinem Shop bestellt es erst mal Chai und zeigt mir dann sein dickes Fotoalbum von Paris. Er möchte wissen, welcher Art die Schals aus LF sind und zeigt mir zum Vergleichen einige aus seiner riesigen Auswahl: Wool, Cotton, Fake Silk, Pure Silk, Pashmina.

Danach zeigt er mir, wie man vor allem Kunstseide von echter Seide unterscheidet, wozu man lediglich einen Faden des Stoffes braucht und diesen anzündet. Da Seide ein tierisches Produkt ist, riecht es beim Verbrennen aufgrund des Proteins in etwa so, wie verbrannte Haare riechen. Danach verreibt man die Asche zwischen den Fingern, die sich um so weicher oder gar cremiger anfühlt, je höher der Anteil reiner Seide ist. Außerdem kann man den Stoff spannen und etwas Wasser darauf tropfen lassen, bei reiner Seide perlen die Tropfen und nichts darf durch den Stoff gehen.

Ich bin Prakash dankbar für diese Lehrstunde und verabrede mich mit ihm für morgen, um ihm meine Schals zu zeigen, die im Moment im Hotel liegen.
Am nächsten Nachmittag komme ich mit den Schals und Prakash prüft die Stoffe zunächst mit seinen Fingern. Vermutlich hat er zum ersten Mal ein Produkt aus Rough- Non-Violent-silk in den Händen, weil er erst einmal den Kopf schüttelt und „Really silk?“ vor sich hin murmelt. Bei der Brennerprobe ist er auch irritiert. „Not all are pure silk, some with cotton, some with acetate!“ Jetzt bin ich der Irritierte, habe aber im Moment keine Antwort; ich werde wohl Shiv kontaktieren müssen. Aber Prakash gefallen die Schals und er ist erstaunt über die gute Verarbeitung des Materials; wahrscheinlich hat er von Arbeiterinnen aus einem Lepradorf nicht so gute Arbeit erwartet! Prakash ist jetzt echt interessiert und denkt über eine Bestellung nach. Ich lasse ihm ein Prospekt und alle Kontaktdaten da und dann trinken wir noch einen Chai während er seine Parisbilder aus seinem alten zerschlissenem Album in ein neues überträgt – seine Französin kommt in ein paar Tagen zu Besuch!

Das Kiran Help Center

Am zweiten Tag meines Aufenthaltes mache ich mich auf den Weg, um Sangeeta aufzusuchen. den Kontakt, den mir Shiv gegeben hat. Sie besitzt einen Laden, Kirans Suryoday Shop & Swiss Bakery, in Lanka, einem Stadtteil im südlichen Varanasi. Der Stadtplan, den ich habe, sagt mir dass es etwa fünf Kilometer zu laufen sind, also spare ich mir die Rickshaw und gehe zu Fuß; zunächst durch betriebsame Straßen, dann zieht es mich zu den Ghats.
Heute ist es ausnahmsweise mal kühl, etwa 25° C, bewölkt und ab und zu angenehmer Nieselregen. Die Szenerie wechselt, Menschen die Wäsche waschen, Gläubige bei ihrer Puja, Bootsleute bei Reparaturarbeiten, junge Männer, die vergnügt im Ganges plantschen, Typen, die mir etwas zu rauchen andrehen wollen, bettelnde Kinder, Schlangenbeschwörer mit eingesperrten Kobras (was mir gar nicht gefällt, weil es den Schlangen beim angelbichen Beschwören mit der Flöte gar nicht gut geht…), ab und an ein paar Touristen und natürlich Kühe, Kühe, Kühe, Kühe…

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Immer wieder muss ich die Ghats verlassen, weil der Weg entweder zu verschlammt oder durch kaputte, abgebrochene Stufen unpassierbar ist. Das wird mit der Zeit mühsam, die Treppen sind mitunter sehr steil und ich bekomme so langsam auch Hunger. Am Assi Ghat mache ich mich auf die Suche nach etwas Essbaren und treffe erst mal auf eine riesige Menschenmenge, sehe Absperrbänder und höre Anweisungen auf Englisch über Lautsprecher. Nichts deutet darauf hin, dass es sich um eine Demonstration, politische Veranstaltung oder ähnliches handelt und so besteht kein Grund sich zu entfernen. Ich gebe also meiner Neugier nach (klar, was sonst) und wühle mich durch die Menge. Von weitem entdecke ich große, rechteckige Paneels, die auf einer Seite reflektieren. Aha, wieder einmal werde ich Zeuge von Filmaufnahmen und bahne mir weiter meinen Weg. Zuerst entdecke ich den Kameramann, dann die Schauspieler, denen der Regisseur gerade etwas erklärt. Kurze Zeit später hört man ‚Action‘ über den Lautsprecher und eine einstudierte Prügelei beginnt, die mit ein paar Martial Arts Effekten versehen ist. Nun ja, ist eben für ’nen Film und da funktioniert das wohl so, sage ich mir, schieße ein paar Bilder (man weiß ja nie, evtl. wird der Film ein Renner, dann hab‘ ich was zum Angeben…).

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Nächste Station ist das hochgelobtes Vartika Cafe, wo es sehr gute Pizzen geben soll. Auf der Speisekarte steht eine mit Eggplants und die habe ich zum Fressen gern. Tatsächlich genieße ich hier die beste Pizza, die ich bisher in Indien hatte; der Boden ist schön kross, der Belag mit Mozzarella und das Gemüse ‚bahot acha!‘ Man sitzt dort übrigens gemütlich auf einer Terrasse und kann den betriebsamen Assi Ghat schön überblicken. Ich frage den Kellner nach der Suryoday Bakery, bekomme eine grobe Wegbeschreibung, muss jedoch mehrmals nachfragen, bis ich endlich dort bin.

Die Bakery ist ein sehr kleiner Laden mit einfachen Waren, vergleichbar mit denen aus ‚Eine-Welt-Läden‘. Ich genehmige mir erst mal einen Masala-Tea sowie eine Auswahl der feinen Kekse. Ich bin der einzige Gast und man erklärt mir, dass eigentlich geschlossen ist, aber ich könne ruhig bleiben. Ich frage nach Sangeeta, aber die ist eigentlich nie hier, sondern meistens im Office in Mudhopatty, ungefähr 18 km weiter südlich. Einer der Mitarbeiter gibt mir einen Flyer über Kiran und ich erfahre, dass Sangeeta in Madhopur ein Schulzentrum für körperlich Beeinträchtigte leitet (Shiv, warum hast du mir das nicht erzählt?). Die Jungs im Laden sind total nett und wir unterhalten uns eine Weile.

Suryoday

Ich erkläre ihm die Sache mit den Schals und dass ich unbedingt Sangeeta treffen muss. Als ich frage, wie man am besten zur Schule kommt, meint er nur „No problem“, jeden morgen um 9.00 Uhr fährt ein Schulbus von hier ab und wenn ich will, kann ich da einfach mitfahren. Super, gerne, mache ich! Die Kekse haben es mir angetan, also kaufe ich noch ein paar, ebenso wie ein Schlampermäppchen für meine Bamboo-Stifte. In einer Stunde wird es dunkel und ich sollte mich so langsam auf den Rückweg machen und frage, was eine Rickshaw von hier ab ungefähr kosten darf. Nicht mehr als 60 Rupien. Okay, denke ich, dann wird man von mir wohl 200 Rs verlangen. Ich verabschiede mich, verlasse den Shop und mache mich auf die Suche nach einer Rickshaw, als mich Arjoi, einer der Jungs aus Suryodays, stoppt „Wait please, I can drive you with my bike!“ Whow, cool. Arjoi muss auf dem Weg beim Werkstattleiter etwas abgeben und so lerne ich – natürlich bei einem Chai – einen der Lehrer kennen. Ein netter Plausch, bei dem ich schon einige Informationen über das Zentrum bekomme. Alle würden sich sehr freuen, wenn ich morgen zur Schule mitkomme. Dann wird es für Arjoi Zeit aufzubrechen.

Kurz vor der großen Kreuzung, von der aus die Gasse zu meinem Hotel abgeht, muss er mich absetzen – der Verkehr ist einfach zu dicht dort und zu Fuß bin ich auf jeden Fall schneller. Wir verabschieden uns und Arjoi freut sich, mich morgen wieder zu sehen!

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Im Puja Guest House genehmige ich mir erst mal einen Hot Ginger Lemon Tea auf der Dachterrasse und genieße die Szenerie; dunkle Wolken ziehen auf, ein zunehmend stärker werdender Wind weht von Süden her und plötzlich kracht es zum ersten Mal. Das Gewitter ist enorm heftig, Blitze zucken überall am Himmel gleichzeitig. Auf einmal gleißendes Licht und gleich darauf ohrenbetäubender Lärm. Direkt nebenan schlägt ein Blitz in eine Leitung, es wird ringsherum dunkel und wir müssen die Terrasse verlassen, weil der Wind den Regen weit unter die überdachten Plätze peitscht, so dass innerhalb weniger Minuten alles unter Wasser steht. Eine Stunde später ist der Spuk vorbei und die Elektrizität wieder zurück.

Am nächsten Morgen packe ich die Schals ein und mache mich auf den Weg zu Suroday. Ich finde einen Fahrer, der mich für 180 Rupees zum Shop fahren will. Etwas zu viel, aber egal, weder will ich lange handeln, noch lange suchen.  Es ist zwar früh am Morgen und noch nicht viel los, trotzdem nimmt mein Fahrer eine Abkürzung und fährt recht geschickt und flott durch die engen Straßen, weicht Hindernissen aus, umkurvt Kühe und überholt so jedes Fahrzeug, das ihm vor die Räder kommt – Schuhmacher und Vettel hätten ihre wahre Freude mit ihm – nur damit ich meinen Schulbus rechtzeitig bekomme! Kurz vor unserem Ziel, während wir eine Brücke hochfahren, versagt der Motor. Den Rest laufe ich zu Fuß, mein Fahrer läuft mit, da er von irgendwo anrufen muss, sein Mobile ist nicht geladen. Wechselgeld hat er auch nicht, weshalb er sich mit 150 Rupees begnügen muss, mehr habe ich nicht in kleinen Scheinen.

Die Jungs im Suryodays freuen sich total, als sie mich sehen; da ich zu früh bin, habe ich noch Zeit für ein kurzes Frühstück, Masala Omelett und Kardamom Tea. Dann geht es ab zum Kiran Center for Education & Rehabilitation of Children with Different Abilities, so die Aufschrift des knallgelben Schulbusses.

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Der 9-Uhr-Bus ist kaum besetzt, eine Mutter mit ihrem Sohn, ein paar Arbeiter von Kiran und ich sind die einzigen Fahrgäste, außerdem werden ein paar Pakete für das Center eingeladen. Die Schüler, die in verschiedenen Internaten in Varanasi untergebracht sind, werden üblicherweise mit dem 8-Uhr-Bus nach Madhopur gebracht.

Irgendwie finde ich das schon witzig, als Lehrer aus dem Westen in Indien in einem Schulbus zu sitzen (eigentlich fehlt nur noch ein Esels-, Pferde- oder Ochsenkarren, dann habe ich so ziemlich alle Transportarten in diesem Land ausprobiert – falls noch eines fehlt, lasst es mich wissen…).

Kiran Bus

Nach einigen Kilometern verlassen wir die Stadtgrenze von Varanasi und so langsam wird es rechts und links der Straße immer grüner. Nach etwa 20 Minuten verlassen wir die „Schnellstraße“ und biegen in eine Nebenstraße ein, die bei uns ein besserer Feldweg wäre, aber immerhin befestigt und in einem sehr guten Zustand. Der Bus passiert einzeln stehende Behausungen, kleine Gehöfte und vereinzelt stehen hier ganz schmucke, farbenfrohe Villen mitten im Grünen. Die Wege hier sind relativ sauber und ich kann hier kaum Plastikabfall entdecken.

Schließlich kommen wir im Kiran Center, das von einer schönen Steinmauer umgeben ist, an und passieren ein Metalltor. Mir bleibt der Mund offen stehen, als ich diese Explosion von Grün und Bunt erblicke. Überall zwischen und um die nett anzusehenden Gebäuden gibt es die verschiedensten Bäume, Büsche und Blumen. Die Wege sind hübsch angelegt und die Fassaden der Häuser bildet einen angenehmen Kontrast zur Bepflanzung. Sofort fühle ich mich wohl und denke, dass dies hier für die Schüler eine Art Paradies sein muss.

Kieran Reception

Ich begegne auf meinem Weg zum Empfangsgebäude nur fröhlich dreinblickenden und lächelnden Menschen (nein, man hat ihnen nichts in den Tee geschüttet, ich habe auch davon getrunken). Die Dame am Empfang lässt mich zu Sangeetas Sekretärin (die mich von ihrer liebenswerten Art her an unsere Sekretärin, Frau J., erinnert)  bringen und wir verstehen uns gleich prächtig. Sie organisiert für mich ein Mädchen, das mich durch die gesamte Anlage führen wird, da Sangeeta im Moment beschäftigt ist. Dann rollt Rumita hinter ihrem Schreibtisch hervor, um mich Arunita vorzustellen, die soeben „gebracht“ wurde. Arunita sitzt ebenfalls im Rollstuhl und wird die nächsten zwei Stunden meine Führerin sein, d.h. sie erklärt mir alles bzw. stellt mich Leuten vor, während ich die Schweißarbeit verrichte. Mit Arunita habe ich saumäßig viel Spaß, sie lernt nämlich gerade die deutsche Sprache und wenn sie mit der Hand nach links zeigt und „rechts“ sagt, gehen wir auch rechts (klingt jetzt vielleicht nicht unbedingt lustig, wenn man es liest, aber zwischendurch muss ich vor lauter Lachen das Schieben einstellen, während Arunita kichert, wie es nur indische Mädchen können).

Ich lerne alle Abteilungen kennen

• die Werkstatt, in der Gehilfen aus Kunststoff, Fuß-, Bein- und Armschienen hergestellt werden. Alle Arbeitsprozesse finden hier statt – Vermessen, Formen der Roh-Schienen, Bohren der Belüftungsöffnungen, Befestigen der Halteriemen, Entgraten und Schleifen, Anpassen am Klienten
• die Holzwerkstatt, in der hauptsächlich Spielwaren für den Verkauf hergestellt werden
• die Farm mit einer Hand voll Milchkühen
• das Therapiezentrum, in dem Sprachschulung, Bewegungsschulung und Förderung der Grob- und Feinmotorik stattfinden
• den Kindergarten
• die Bibliothek
• die Beratungsstelle
• die Handarbeitswerkstatt, in der Stickereien, Näharbeiten, Bastelarbeiten u. ä. hergestellt, sowie Seidentücher oder Seidenschals gefärbt werden
• die verschiedenen Schulabteilungen und -stufen mit den jeweiligen Klassenzimmern
• schließlich die Küche mit Speisesaal

Kieran Playground

Kieran Workshop

Kieran Women with Linde

Kieran Facilities

Kieran Artscraft

Während des Rundgangs werde ich überall freundlich empfangen und bekomme alles was ich wissen will, geduldig erklärt.
Dann bringt mich Arunita zurück zum Sekretariat, wo mich Rumita freudestrahlend empfängt „Now Sangeeta has time for you“.
Sangeeta ist eine zierliche, ältere Schweizerin mit einem reservierten Lächeln und hellen, wachsamen Augen. Wir unterhalten uns eingehend über das Zentrum (weitere Infos auf www.Kiranvillage.org) und ich bin erstaunt, was diese resolute Frau hier in Varanasi aus dem Nichts aufgebaut hat. Wegen der Schals aus Little Flower besteht grundsätzlich Interesse, verweist mich aber bezüglich der Einzelheiten auf den Leiter der Werkstatt, den ich ja schon kenne. Sie lädt mich für später zum gemeinsamen Mittagessen ein, an dem eine Delegation aus der Schweiz teilnehmen wird.
Im Handicraft Shop lerne ich Linde kennen, eine Waldorf-Lehrerin aus Freiburg, die sich gerade eine Auszeit nimmt und kurz vor ihrem Ruhestand steht. Sie ist im Moment mit einer schwierigen Bastelarbeiten beschäftigt, die von einem Laden in Freiburg für das Weihnachtsgeschäft geordert wurden. Wir plaudern eine Weile, tauschen Informationen über Kiran und Little Flower aus, während ich mein Basteltalent zur Verfügung stelle und bei den Sternenengeln helfe. Der Werkstattleiter ist heute leider nicht da, was bedeutet, dass ich noch einmal kommen darf! Aber gerne doch! Gemeinsam mit den Schweizern gehen wir zum Essen und sehen, dass für uns alle an einem großen runden Tisch bereits gedeckt ist. In der Mitte ist eine drehbare Platte, auf der einfache, aber lecker zubereitete Speisen darauf warten von uns verspeist zu werden: geröstete Kartoffeln, Reis mit Cashewnuts, Dal-Curry, gedünstetes Gemüse, Mixed Pickels, Kürbisssuppe und extra Chillies. Wasser gibt es hier vom eigenen Brunnen und kann von allen gefahrlos getrunken werden; es wird regelmäßig getestet und ist das Beste, was man in Varanasi bekommen kann.

Nach dem Mittagessen lädt uns Sangeeta zum Kaffee in ihrem Garten ein. Sie hat ein kleines Grundstück mit einem herrlichen Garten in der Nähe des Schulzentrums, auf dem sie sich ein kleines, rundes Häuschen aus Stampflehm und Bambus hat bauen lassen (aha!). Innen ist es geschmackvoll und heimelig eingerichtet. Hier könnte ich es auch eine Weile aushalten. Kein Problem, Sangeeta geht für ein paar Wochen auf Reisen und so lange kann in ihrem Haus wohnen wer möchte, es steht für jeden offen! Linde hat sich bereits angemeldet, um mit ihren Mann hier eine Weile Urlaub zu machen und ich werde schon etwas neidisch, denn dieses idyllische Plätzchen am Ganges eignet sich hervorragend, um die Seele baumeln zu lassen.

Sangeeta House2

Sangeetas House

Sangeeta Garden

Ich schaue mir nochmal den Shop an, nachdem das Kaffeekränzchen beendet ist und verabrede mich für übermorgen, denn morgen ist die Schule geschlossen, Durga Puja! Um 16.00 Uhr geht es mit dem Schulbus zurück und diesmal ist er voll besetzt. Immer wieder hält der Fahrer an, um Kinder aussteigen zu lassen, deren Eltern am Straßenrand warten und ihre Sprösslinge herzlich und freudestrahlend in Empfang nehmen. Oft stehen auch die Väter dabei und ich habe den Eindruck, dass die Behinderung für die Eltern kein Problem zu sein scheint. Einmal erlebe ich, wie ein Vater seine kleine Tochter, die nicht alleine laufen kann, sofort in die Arme nimmt, um sie dann lachend herum zu wirbeln. Die Einstellung, die hinter diesem Verhalten steht, ist sicher auch ein Ergebnis der intensiven Elternarbeit, die Sangeeta und ihr Team hier leisten. Der gelbe Schulbus leert sich so langsam und ich fühle mich nach dem langen Tag reich beschenkt.

Mein zweiter Besuch im Kiran Center hat eine stressige Vorgeschichte. Wie vor zwei Tagen finde ich mich wieder um 9.00 Uhr im Suryoday Shop ein, um den Bus zu nehmen und erfahre zu meinem Leidwesen, dass samstags nur um 8.00 Uhr nach Madhopur gefahren wird. Die Mitarbeiterin, die heute anwesend ist, empfiehlt mir eine Rickshaw zu nehmen, der Preis wäre ungefähr 200 Rupees, auf keinen Fall mehr. Um die Ecke ist ein Stand, ich finde einen Fahrer, zeige ihm den Flyer mit der Adresse; er nickt kopfwackelnd und der Preis geht auch in Ordnung. Zunächst aber schlägt er die falsche Richtung ein, ich protestiere, aber er fährt unbekümmert weiter „Gasoline!“ Okay, Tuk – Tuk hat Hunger, gut – ich bin beruhigt. Vollgetankt geht’s dann weiter, immer noch in die entgegengesetzte Richtung – „Shortcut!“ Ah so, aha, klar, er wird’s schon wissen – beruhige ich mich zum zweiten Mal. Zehn Gassen weiter und zehn Minuten später fahren wir immer noch zickzack, er hält an und befragt einen Passanten. Ich frage ihn, was los ist und der Fußgänger klärt mich auf, dass mein Rickshaw-Wala keine Ahnung hat, wo Kiran liegt und auch nur ein paar Brocken Englisch spricht – Sche…! Der nette Herr hat vom Kiran Center auch noch nichts gehört und jetzt bin ich etwas ratlos. Wir fahren weiter bis zur nächsten Straßenecke, wo sich ein Friseursalon befindet und man mir erklärt, dass wir immer noch in Lanka sind!!! Dort fragt mein Blender nach der Schule und nun beginnt eine Show, über welche ich erst im Nachhinein schmunzeln kann. Zunächst wird etwas diskutiert, wobei ich kein Wort verstehe, jedoch wiederholen sich die gleichen Wörter immer wieder. Nach und nach kommen neue Helfer und Neugierige dazu und das ganze Problem wird natürlich jedes Mal neu erklärt. Im Kiran anrufen wäre eine Idee, aber mein Akku ist leer und mein Gutester hat kein Guthaben auf seinem Mobile. Ein älterer Mann stellt seines zur Verfügung, ein zweiter tätigt den Anruf, weil mein Bester sich weigert. Das Gespräch bringt uns nicht weiter, weil es offensichtlich Kommunikationsschwierigkeiten gibt. Mein Herzchen gestikuliert heftig und ich verstehe nur „Not drive“, „Pay“ und „New Rickshaw“ Ne ne, Schätzchen, du fährst mich hin, du hast mich ja auch hierher gebracht. Und auf keinen Fall zahle ich doppelt! Jetzt schreit mein Vögelchen und die ersten Schaulustigen werden aggressive, manche schimpfen mit meinem Darling, ein paar fuchteln in meine Richtung. Jetzt wird’s mir zu bunt, strecke meinen Kopf aus der Rickshaw und rufe laut „Someone around here who speaks proper Englisch, please?“ Das hilft anscheinend, denn nun taucht ein gut aussehender, gut gekleideter junge Inder auf, mein Hero, und fragt im besten Englisch, wie er helfen kann. Er schnappt sich den Flyer, ruft im Kiran Center an und erklärt dem Fahrer die Strecke. Das scheint meinem Allerliebsten gar nicht zu gefallen. Ich will wissen, was nun los ist und mein Held erklärt mir, dass dafür der doppelte Fahrpreis fällig ist. Damit bin ich natürlich nicht einverstanden und nach einigem Hin und Her einigen wir uns auf 300 Rupees. Gerade noch rechtzeitig bevor es weitergeht, schnappe ich meine Kamera und schieße ein Foto von meinen Rettern, während mein Augapfel Gas gibt und auf Strecke geht. Uff! Ich schüttle den Kopf über das gerade Erlebte und mein Ärger ist so gut wie verflogen, es huscht sogar ein leichtes Lächeln auf mein Gesicht.

Eine halbe Stunde später sind wir endlich da, es ist fast Mittag. Der Leiter der Werkstatt ist noch nicht da, aber ich treffe Linde und wir gehen erst mal Essen. Nach der Mittagspause kann ich endlich meine Schals zeigen. Die Werkstatt hier im Kiran Center hat sich auf das Färben von eigenen Mustern spezialisiert, weshalb Bedarf an ungefärbten Schals besteht, aber das dürfte für Shiv kein Problem sein. Die Qualität der Ware findet auch Zustimmung und nach dem Austausch von Höflichkeiten erfolgt der Austausch der Adressen. Jetzt möchte Linde und eine der Schweizerinnen die Schals auch nochmal sehen, fünf Minuten später habe ich meine ersten beiden Schals in Indien verkauft! Wieder helfe ich bei den Weihnachtsbasteleien und entspanne mich beim Werkeln. Und schon muss ich wieder los, die Busse starten samstags eine Stunde früher zurück nach Varanasi. Ich verabschiede mich von diesem wunderschönen Ort, steige als letzter in den Bus und darf direkt hinter dem Fahrer Platz nehmen. Ab ins Guest House, mein Körper schreit nach einer heißen Dusche!

Abschied und Überraschung

Mein Gepäck ist längst gepackt und an der Rezeption aufbewahrt. Bis mein Zug fährt habe ich noch gute drei Stunden Zeit und gehe nochmals zu meinem Lieblings-Lassi-Shop, um mir wieder einen Coconut Lassi zu genehmigen, die schwierige Frage ist nur: mit oder ohne Schoko? Bei meinem ersten Lassi dort schwärme ich lautstark, weil das Zeug echt super gut ist. ‚Mmh., I love Coconut!‘ Daraufhin fordert mich der Besitzer auf, eine ordentliche Menge aus meiner randvollen Schale zu trinken, damit er nachfüllen kann! Bei meinen weiteren Besuchen das gleiche Spiel, jedes Mal sitze ich in seiner Nähe, sobald ich meinen Lassi habe, dreht er sich um und grinst breit. ‚Go, trink!‘ und dann wird wieder ordentlich nachgefüllt…
Am Rande bekomme ich ein Gespräch von einem der Jungs, die hier helfen mit einem englischen Pärchen mit. Es geht um den Golden Temple, wie schön und interessant er sei. Man kommt jedoch als Nicht-Hindu nicht hinein, höchstens auf den äußeren Hof, wenn die Polizisten am Gate entsprechend gelaunt sind. Oft werden Touristen schon dort abgewickelt. ‚Not possible!‘ Ich mische mich in die Unterhaltung mit ein und erfahre, dass es durchaus möglich wäre, als Nicht-Hindu in den inneren Bezirk und ins Allerheiligste zu gelangen. Der junge Inder erklärt uns die Prozedur und als er hört, dass ich heute abreise und mir noch zwei Stunden bleiben, empfiehlt er mir, es zu versuchen. Okay, why not, denke ich mir und mache mich auf den Weg.
Vor dem Zugang zum Tempelareal, der einer Sicherheitsschleuse im Flughafen gleicht, geht es hoch her. Die Gasse ist eh sehr schmal und zur Zeit drängen sehr viele Pilger in den Golden Temple, es hat sich eine lange Schlange gebildet und ich überlege, ob es überhaupt Sinn macht, die Geschichte anzugehen. Ich gebe mir einen Ruck und spreche den Polizisten mit den meisten Knöpfen auf den Schultern an. Es mustert mich kurz und dann murmelt er etwas das wie ‚close bag‘ klingt. Ein Mann aus dem Shop direkt neben dem Zugang winkt mich zu sich. Ich soll meine Sachen bei ihm lassen und nicht im Safe beim Blumenhändler, das kostet unnötig Geld und außerdem will er mir noch ein paar Tips geben. Im hinteren Teil des Ladens fragt er erst einmal, wo ich herkomme und ob es mir ernst mit dem Tempel ist. Er wickelt meine Tasche in ein paar Stoffe ein, Geldbeutel und Reisepass soll ich mitnehmen, beides werde ich brauchen. Falls man mich nicht hineinlässt, soll ich einfach stur bleiben (ich glaub das kann ich ganz gut). Auf keinen Fall soll ich auf das Angebot eingehen, die Spitze des vergoldeten Tempels von einer Terrasse aus zu beobachten, die man über eine Treppe gegenüber des Haupteinganges erreicht. War man erst einmal dort oben, lassen die Beamten einen auf keinen Fall mehr zum Tempel, denn man hat ihn ja schon gesehen und das genügt ja wohl für einen Gora. Respektvollerweise sollte ich, wie jeder Hindu einen kleinen Bund Blumen kaufen, um diese dann im Heiligtum zu opfern.
Gut, ich bin nun durch die vielen Informationen gut gerüstet und mache mich auf den Weg. An der Sicherheitsschleuse muss ich meinen Reisepass zeigen und werde von zwei Beamten gründlich abgetastet. Mit kritischem Blick werde ich eingelassenen und stehe nun im Außenbezirk. Rechts von mir ist eine hohe Mauer, an der sich schon eine ordentliche Schlange Gläubiger gebildet hat, links reiht sich ein Geschäft an das andere. Ich gehe zu dem Stand mit den Blumen, der sich gegenüber des Haupttores befindet und möchte die Blumen kaufen.

‚Not possible, only Hindus.‘
‚I know, but I want to learn about Hinduism.‘
‚Not possible, only Hindus.‘

Ich schaue mich nach dem ranghöchsten Officer um, aber der ist gerade beschäftigt. Ein sehr junges Soldat nähert sich und beginnt mit mir eine nette Unterhaltung und ich frage ihn, wie man in den Tempel kommt.

‚Not possible, only Hindus.‘

Dann sehe ich, dass der Chef gerade niemand um sich hat.

‚Sir, I want to go in the temple.‘
‚Not possible, only Hindus.‘
‚I know Sir, but I want to learn about Hinduism.‘
‚Not possible, only Hindus.‘
‚I know Sir, but I want to learn about Hinduism.‘

Er schickt mich zu einem Tisch, an dem sich alle registrieren müssen. Ein älterer Herr sitzt dort und verlangt meinen Pass.

‚Which country?‘
‚Germany, Sir‘
‚Not possible, only Hindus.‘
‚I know Sir, but I want to learn about Hinduism.‘

Das wiederholt sich mehrmals, dann gehe ich nochmal zu dem Officer mit dem vielen Lametta.

‚Sir, what’s wrong? I want to go inside!‘

Keine Antwort. Ich gehe wieder zurück zum Tisch und wiederhole brav mein Sprüchlein.

‚Not possible, only Hindus.‘

Schließlich kommt der Chef mit an den Tisch und verfolgt stumm unseren Dialog. Nach der x-ten Wiederholung schaut er zu mir hoch, streckt seine Hand aus und bellt ‚Passport!‘, gibt ihm dem anderen Beamten, der mich endlich in die Liste einträgt. Meinen Ausweis muss ich zurücklassen und noch auf der Liste mit vollem Namen unterschreiben. Während der ältere Beamte langsam einträgt und dabei tausendmal in meinem Pass hin- und herblättert, kommt ein Priester mit Wasser und Farbtöpfchen. Ich beobachte genau, was die beiden Beamten machen, bevor er ich am der Reihe bin. Er gießt zuerst Wasser in rechte Hand, davon nimmt man einen Schluck und verteilt den Rest von der Stirn aus über den Kopf bis zum Nacken. Jetzt bekommt man die Tikka auf die Stirn. Wortlos zeigt der Boss in Richtung Eingang. Der Blumenverkäufer gibt mir ein kleines Bündel Blumen sowie einen Plastikbecher mit milchigem Wasser für 50 Rupien und meint dann ‚To much people inside. You must wait one hour. Stand in line.‘

Als ich die Länge der Warteschlange sehe, ist mir klar, dass das zeitlich zu knapp wird. Übrigens beäugen mich die Leute mit kritischem oder gar unfreundlichem Blick. Der junge Soldat von vorhin nimmt mich zur Seite und führt mich direkt vor den Eingang. ‚Wait a minute!‘ Nach einigen Minuten schubst es mich mit dem nächsten Schwung der eingelassen wird in Richtung Eingang, wo mich ein anderer Soldat am Arm packt und zwischen die Warteten in den inneren Tempelbereich schiebt. Jetzt geht es im Entenmarsch durch das Tempelgelände und ich sehe nun fast nur freundliche Gesichter. Der Mann hinter mir legt seine Hand auf meine Schulter ‚Don’t worry, I take care. I show you‘, schiebt mich dabei immer stückweise vorwärts und ist so dicht hinter mir, dass sich niemand dazwischen mischen kann. Wir kommen dem Allerheiligsten immer näher, ich bei gespannt und aufgeregt zugleich. Noch ein paar Meter, vor mir läuten die Menschen die Glocke neben einem versilberten Tor, es wird dunkel und jetzt geht alles sehr schnell. Im Inneren befindet sich eine quadratische Vertiefung in dessen Mitte ein schwarzer Lingam aufragt, zwei Polizisten regeln den Ablauf; sobald man die Blumen in die Vertiefung geworfen und die Milch über den Lingam geschüttet hat, wird man auch schon wieder hinaus befördert. Außerdem wachen sie mit Adleraugen darauf, dass nichts unerlaubtes mit dem Lingam in Kontakt kommt. Wie ich später von dem netten Shopinhaber erfahre, hat es ein Tourist geschafft eine Flasche mit normalen Wasser in den Tempel zu schmuggeln, um dieses dann über den Lingam zu schütten. Ein schwerer Frevel, die Aufregung und Entrüstung unter der Hindu-Gemeinde war groß und es gab Überlegungen für Nicht-Hindus generell keine Ausnahmen mehr zu machen – verständlich.
Draußen setzt ich mich auf eine Steinbank und betrachte das vollständig mit Gold überzogenen Dach und bin irgendwie überwältigt und ergriffen.
Langsam wird es für mich Zeit den Ort zu verlassen verlassen und ich gehe durch einen Seitenausgang, um meinen Ausweis und meine Flip-Flops abzuholen. Zurück im Shop freut sich der Besitzer mit mir und bittet mich meine Tasche zu durchsuchen, um zu prüfen, dass alles da ist. Ich schaue mich kurz um und sehe, dass er ausgezeichnete Ware hat. Wir haben noch ein kurzes Gespräch und ich erfahren, dass er benachteiligten Kindern ermöglicht, eine Schule zu besuchen, indem er einen Teil seiner Profites dafür verwendet. Ich erzähle ihm kurz von Little Flower, zeige ihm meinen blauen Schal und lasse ein Prospekt da. Er ist offensichtlich interessiert und denkt, dass die Schals sich gut in seinem Shop verkaufen lassen. Wir verabschieden uns herzlich voneinander und ich die zum Hotel, um mein Gepäck zu holen.

Mein Unterkunft liegt am Ende einer immer schmaler werdenden Seitengasse direkt am Lalita Ghat. Meistens komme ich spät im Stockdunkeln heim und laufe immer an einem älteren Herrn vorbei, der vor seinem Haus sitzt, das das Letzte vor dem Puja Guest House ist. Er grüßt jedesmal freundlich, anfangs nur mit ‚Namaste‘, dann kommt mit jedem Abend mehr dazu; ‚Good night!‘ ‚Oh hello!‘ ‚Ah, Puja Guest House?‘. Eines Abends bleibe ich stehen und unterhalte mich länger mit ihm. Es spricht erstaunlich gut Englisch und hat Spaß am der Unterhaltung, immer wieder fällt er mit seinem heißeren trockenen Lachen ein, das mich an irgend jemand erinnert. Am Tag der Abreise sehe ich ihn das erste Mal bei Tageslicht, als er gerade mit einem kleinen Kind spielt. Ich komme näher, er sieht mich und freut sich offensichtlich. Als ich vor ihm stehe glaube ich einen Bruder von Paul Newman vor mir zu haben. Natürlich muss ich jetzt ein Foto schießen, er kommentiert das ganz lässig ‚Yes, I know. I’m very famous, my fotos are all over the world. Many Tourists making pictures‘. Zum Abschluss will er unbedingt noch ein Foto mit seinem Enkel auf dem Motorrad. Ein sehr schöner Abschied von Varanasi!

Indian Paul Newman

Indian Paul Newman2