USA – East meets West

7. Mai 2014

Nach ungefähr drei Stunden Schlaf piepst der Alarm um 3:45 Uhr. Kurzes Frühstück, Ei, Marmelade, Tee. Am Bahnhof steht mein Zug nicht auf der elektronischen Anzeigetafel und auch auf Gleis 2 schweigt das über mir schwebende Display. Der Zug steht schon bereit, jedoch ist es nicht RB 4480, wie es mir meine Bahn-App laut Reiseplan sagt, sondern RE1/RB 44, so die Leuchtanzeige an den Waggons. Ich habe ein kurzes Delhi-to-Agra-Train-Station-Déjà-vu und komme mir vor wie in Indien, nur dass mir hier niemand gaunermäig eine andere Fahrkarte verkaufen will. Das Fahrtziel ist Mainz und Mannheim liegt ja auf dem Weg. Ein Schaffner ist nirgends zu sehen, also steige ich ein. Wird schon stimmen. Ohne eine Durchsage und ohne Vorwarnung rollt die Bahn leise aus dem Bahnhof, immerhin auf die Sekunde pünktlich. Jetzt hätte ich eigentlich Zeit, Schlaf nachzuholen oder zu lesen, aber ich bin viel zu aufgeregt. Ungefähr die gleiche Entfernung von zu Hause, die ich am vergangenen 2. September nach Osten zurückgelegt habe, werde ich heute nach Westen antreten. Mein erster Besuch in den Staaten, mein erster Besuch bei meiner Schwester, die seit 10 Jahren mit ihrem Partner in der Nähe von Fort Myers in Florida lebt, mein erster Flug über den Atlantik. Ich bin total gespannt, was mich dort erwartet und was ich erleben werde. Diesmal nicht „indisch“ mit Rucksack und fast zeit- und planlos in 6 Monaten, sondern mit Koffer, geplantem Anfang und Ende in 6 Wochen!

Am Flughafen klappt alles reibungslos wie am Schnürchen, bis ich zum Security Check-In komme. Der Inhalt meines Rucksackes erregt Missfallen. Der Mitarbeiter am Ende des Bandes ruft zu seinem Kollegen: „He. Wilhelm! Wo muss ich checken?“ Mein Namensvetter, vom Aussehen und Akzent her tippe ich auf jüdischen Einschlag, zeigt auf meinen Rucksack: „Ganz unten“, dann lächelt er mich freundlich an. Sein Kollege und ich wühlen in meinen Habseligkeiten, bis er zwei verdächtige Gegenstände findet, meine Solartaschenlampe sowie den Blue-Tooth-Lautsprecher. Gemeinsam gehen wir in einen kleinen Raum, dort warten wir, bis die Kollegin kommt, die den Lautsprecher auf Sprengstoff prüft. Unterdessen kommen wir ins Gespräch, ich erzähle von meinem Sabbatical, was er ganz toll findet. Dann führt er mich wieder aus dem Raum, weil die Kollegin noch nicht da ist. „Sorry, es dauert noch, wir haben heute nur eine Kollegin, die den Test durchführen darf. Sie können ja solange beim Gepäckcheck zuschauen, da geht es bei uns meistens ganz lustig zu.“ Ich beobachte das Treiben ne Weile zu, alle sind sehr relaxed und lachen viel miteinander. Endlich kommt die Vollstreckerin und macht den Test. Mehrmalige Entschuldigung für die Verzögerung und dann darf ich gehen. Das Boarding ist ebenfalls ganz locker, jeder Bereich im Flieger wird separat aufgerufen, nachdem die Premium-Gäste sowie Armeeangehörige zuerst eingestiegen sind. So gibt es kein Drängeln und kürzere Wartezeiten. Der Airbus ist ungefähr zu vier Fünftel besetzt, wodurch Platz neben mir leer ist und ich meine Ruhe habe.