Delhi 11.10.2013 – 15.10.2013

Herzliche Verabschiedung von Mo und Steffen am frühen Nachmittag, dann ab nach Gaya zum Bahnhof. Dort angekommen erfahre ich, dass mein Zug Verspätung hat – 5 1/2 Stunden! Im ersten Moment bin ich genervt, aber dann rechne ich nach; statt um 5.00 morgens am nächsten Tag komme ich um die Mittagszeit an – viel besser. Also schließe ich mein Gepäck ein, gehe in ein Internet-Café, um Bilder in die Dropbox hochzuladen und nehme in einem kleinen Lokal, in dem nur Inder sitzen ein ausgiebiges Abendessen ein.
Um 19.00 Uhr fahren wir dann endlich los, ich lege mich in mein upper bed, richte mich für die Nacht und lese noch eine Weile. Gut ausgeruht wache ich auf und betrachte die Landschaft, die im morgendlichen Sonnenlicht vorüberzieht.
Kurz nach elf sind wir in Delhi, auf dem Stadtplan sieht es nicht sehr weit zur Arakashan Road aus, wo ich mir ein günstiges Hotel anschauen will. Großen Rucksack einschließen, kleinen Rucksack mit Wertsachen mitnehmen und dann los zum Amax Inn, zu dem ich dann zehn Minuten brauche. Zimmer gibt es, klein, sauber, hot water possible, Dachrestaurant, Wifi kostenlos, sehr nettes Personal. Mein Zimmer hat eine Klimaanlage, die ich jedoch nicht brauche ‚Okay Sir, we switch it off, no problem‘ und dann bekomme ich es sogar zum Non-AC Preis!
Am gleichen Abend lerne ich ein kanadisches Ehepaar kennen, die auf Weltreise sind. Beide sind in Deutschland geboren, als Kinder mit ihren Eltern auf dem gleichen Schiff ausgewandert und haben sich erst als Erwachsene kennen gelernt. Er stellt sich mit Helmut vor und – Überraschung – sein zweiter Name ist Wilhelm! Die beiden haben tolle Geschichten zu erzählen und es wird ein lustiger Abend, als sich noch eine Engländerin mit ihrer Tochter an den Tisch setzt. Helmut sorgt bei mir für einen Lachanfall, als er die Engländerin bat, den letzten Satz zu wiederholen
‚Sorry, can you repeat it? I didn’t understand because of your accent‘!

Am nächsten Tag meldet sich mein Verdauungssystem wieder und ich verbringe den Tag auf dem Zimmer. Bei meinen Medikamenten finde ich die zweite Tablette, die mir Mohammad gab. Ich hoffe sie hilft, denn morgen möchte ich nach Agra ins Taj Mahal, das Zugticket und das Taxi für die Fahrten in Agra sind schon gebucht, außerdem soll das Wetter wunderbar werden.

Agra und das Taj Mahal

Der Morgen beginnt sehr gut, ich bin ausgeschlafen, fūhle mich kräftig und gehe kurz vor halb fūnf zu Fuß zum Bahnhof, wo mich eine Ůberraschung erwartet. Mein Shatabdi-Express erscheint nicht auf der Leuchttafel und ich bin etwas ratlos. Da die Schalter geschlossen sind kann ich nirgends fragen. Man kann wohl meinem Blick ablesen, dass ich irritiert bin, kommt doch gleich ein gut gekleideter netter Inder, der am Zugang zu den Gleisen stand auf, auf mich zu und fragt mich, ob er helfen kann. Da er mit seiner Krawatte und dem Namensschild aussieht wie ein Offizieller, zeige ich ihm die Fahrkarte.
‚Sorry Sir, this train is cancelled, you have to take the Taj Express at 7.00 hours from Hazrat Nizamuddin Station. You can change the ticket at next Tourist Office, get there with Pre Paid Taxi, I show you. Please come with me‘
‚That’s not possible. I have to call my hotel manager because he booked my taxi in Agra.‘
‚No problem, Sir. They can change this booking too‘
‚Häh?‘
‚Yes, please come. The taxi is waiting there‘
‚No, I call my hotel manager first‘
Dann zücke ich mein Mobile und auf einmal seh ich den Typen wegrennen! Schei…, der wollte mich reinlegen und mir etwas anderes verkaufen. So ein Gauner, aber ich Idiot habe solche Sachen vom Bahnhof New Delhi gehört und bin trotdem drauf reingefallen; ich schaue auf die Uhr, nochmal Sch…, in einer Minute fährt mein Zug und ich weiß mein Gleis immer noch nicht. Ich renne zum ersten Gleis und frage im ersten Shop, der Besitzer macht große Augen ‚Train is leaving now at platform 3‘
Und da höre ich auch die Durchsage…
Ich sehe den Zug drüben, im Moment steht er noch. Es sind 50 Meter zur Fußgängerbrücke, die Treppe hoch, 20 Meter rüber und die Treppe wieder runter. Ich sprinte los und auf der Brücke sehe ich wie der Zug den Bahnhof verlässt. Ich schreie ‚My train, my train, f%&§ my train!‘ und stürze die Treppe herunter als wäre eine Horde wilder Stiere hinter mir her. Vor meinem geistigen Auge sehe ich eine Szene aus „Outcast“, wo der Protagonist auch einem Zug in Indien hinterher rennt und erst im letzten Moment sich entscheidet zu springen. Der Zug wird schon schneller, als ich an der Treppe unten ankomme. Schnell schaue ich nach einer offenen Tür, die erste die an mir vorbeizieht, ist durch eine herunter geklappte Bank im Durchgangsbereich eingeengt. Scheißegal, ich werfe meine Rucksack durch die Tür und springe auf die Bank, auf der ich bäuchlings ankomme, die Füße hängen noch draußen, aber ich bin in meinem Zug! Uff!

Ich bin völlig außer Atem, aber heilfroh, dass ich so ein unverschämtes Glück hatte. Nach meinem Abteil muss ich auch nicht suchen, denn ich landete zufällig im richtigen!

In Agra wartet mein weißes Taxi auf mich und der Fahrer scheint ein ganz netter zu sein. Unterwegs halten wir, damit ein Guide zusteigen kann.
‚Sorry, I didn’t book a Guide‘
‚Don’t worry, it’s included!‘
Gut, warum nicht. Der Guide ist ein smarter Typ, Marke Goldkettchen, Polizei-Sonnenbrille, Rolex…
Vor dem Ticketschalter bilden sich schon die ersten Warteschlangen, aber mein Guide geht zu einem geschlossenen Schalter, klopft ans Fenster, ruft „Tourist Guide“ und schwuppdiwupp habe ich meine Eintrittskarte.
Beim Einlass überholen wir die wartenden Inder auf der eigens eingerichteten Touristenspur (der Ausgleich für den 40-fach höheren Preis, Inder zahlen statt 750 Rs nur 20 Rs) Das Wetter ist ideal, blauer Himmel mit ein paar Wölkchen und die Touristenmeute ist noch überschaubar.
Vor vier Jahren war ich vom Glück nicht so gesegnet, denn ich landete an einem Freitag in Agra – ich hatte am Ende meiner letzten Indienreise Zeiten und Wochentage überhaupt nicht mehr so richtig auf dem Schirm – und freitags ist immer wegen des Gottesdienstes in der Moschee geschlossen, was mir aber eigentlich bekannt war. Damals sah ich dann den Taj Mahal vom Garten des Mehtab Bagh auf der anderen Flussseite aus, zu allem Unglück war es zu der Zeit auch noch leicht nebelig.
Deshalb bin ich natürlich nach dem Vorfall am Bahnhof New Delhi jetzt doppelt glücklich, hier zu sein!

P1070052 Kopie

Auf dem Vorplatz am südlichen Tor zum Taj schildert mir mein Guide die geschichtlichen Hintergründe, erklärt einiges zur besonderen Architektur des Grabmals von Mumtaz Mahal, und verklickert mir mit welcher Technik die verschiedenfarbigen 35 Edel- und Halbedelsteine als Einlegearbeiten, Pietra Dura genannt, in den weißen Marmor eingebracht wurden. Ich bedanke mich brav und möchte jetzt das Grabmal sehen.

Marmor Relief 1

Marmor Relief 1

In der Mitte vor dem Tor stehend habe ich das Taj genau in der Öffnung des Bogens, ich schreite hindurch und sehe das Taj Mahal zum ersten Mal in seiner vollen Pracht, Schauer laufen mir durch den Körper, echt Gänsehautfeeling! Für viele mag der Taj Mahal ein netter weißer Kasten zu sein, für mich ist es eines der schönsten Gebäude der Welt!

TAJ MAHAL 1

TAJ MAHAL 1

Nach den obligatorischen Fotos am Eingang mit dem Grabmal im Hintergrund, auf die mein Guide besteht, erkundige ich den Taj alleine,
Treffen ist in zwei Stunden am Eingang.

Die nächsten zwei Stunden verbringe ich mit Fotografieren, Betrachten und Staunen. Ich bin in Höchststimmung, das Wetter und die gut gelaunten Menschen um mich herum tragen ihr übriges dazu bei. Nachdem ich genug geschaut habe, setze ich mich, wie so viele, auf den noch kühlen Marmorboden an der Flussseite des Yamuna hinter dem Grabmal und schaue erst einmal rüber auf die andere Seite, wo ich vor vier Jahren stand. Dann ist relaxen und beobachten angesagt. Immer wenn sich zu viele Menschen angesammelt haben, kommen weibliche Polizistinnen mit ihren Trillerpfeifen und fordern uns akustisch auf, nicht auf den Boden zu sitzen, auch das Sitzen auf den Treppenstufen und Mauerabsätzen ist nicht erlaubt. Nach fünf Minuten sitzen wieder alle, die Geduld der hübschen Uniformierten währt teilweise bis zu 10 Minuten, dann geht das Spiel von vorne los. Immer wieder werde ich von Indern gefragt, ob sie mich fotografieren dürfen. Oft sind es Familien, die dann ihre kleinen Kinder so zu mir setzen, dass mein Tattoo sichtbar ist und manche fragen mich auch ‚Tattoo permanent? Possible to touch?‘ Ich lasse es geschehen und muss mich nicht einmal anstrengen, um mein bestes Lächeln aufzusetzen. Hin und wieder greife ich auch zur Kamera, aber hauptsächlich spiele ich mit den Polizistinnen Aufstehen und Setzen (ich weiß was ihr jetzt denkt, liebe Jungs von der Waldhornschenke, aber: ‚NOT POSSIBLE!‘).

Die Zeit vergeht wie im Flug und langsam werde ich auch hungrig. Auf dem Weg zum Ausgang begegne ich einer Gruppe gehörlosen Jugendlichen, die mich heftig gestikulierend darum bitten, sich mit jedem Einzelnen von ihnen vor dem Taj Mahal fotografieren zu lassen – und das werden dann auch ganz nette Bilder.

Draußen erwartet mich mein Guide und wir gehen zurück zum Taxi, während er mir erzählt, wie schwer es die Guides in Indien haben, und dass die Prüfung sowie die Lizenz eine Menge Geld kostet – ja klar, du bekommst ein Trinkgeld, aber nur ein bisschen.
Wir sitzen im Taxi und nun macht mir der Guide Vorschläge, was wir noch alles besichtigen können. Das Red Fort (nicht spannend, einmal reicht), diesen und jenen Tempel (keine Lust), den Mehtab Bagh (den kenn ich doch zur Genüge) oder ein paar spezielle Werkstätten, in denen man kunstvolle Geschenke erwerben kann ‚Just look, not buy‘ (no no, my friend, auf gar keinen Fall). Außerdem will ich jetzt erst mal was zwischen die Zähne. Der Guide schlägt mir ein Restaurant vor, natürlich ein teures, aber ich habe mir meinen Plan gemacht und möchte in das Viertel Taj Ganj. Dort gibt es nette Dachrestaurants, wo man andere Traveller kennenlernen kann oder einfach zum Relaxen abhängt, um nochmal das Grabmal von Weitem zu sehen.
‚Not possible. Taxi not allowed to drive there‘
‚Possible, my legs are working very well‘
‚Äh, okay. And after lunch, where will we go to?‘
‚Nowhere. Hanging around, maybe I’ll go to see the Kinari Bazar‘
Jetzt ist erst mal Sendepause und nach einer Weile fragt er mich
‚So you don’t need me anymore? If not I’ll go back home and work there‘,
und das in einem entrüsteten, beleidigtem Tonfall.
‚Yes, you may go. I didn’t book a guide and I don’t need you anymore!‘
‚But what is now with me? You are happy (übliche Floskel, wenn die Jungs einen Tip wollen)?‘
‚Yes, I’m happy. Thank you!‘
Ich gebe ihm 200 Rupees Trinkgeld und er schaut erst verdutzt, aber er fragt nicht weiter nach und verschwindet – sichtlich unzufrieden. Mit dem Fahrer tausche ich unsere Mobilnummern aus und verabrede mich für zwei Stunden später.

Im Taj Ganj geht es recht lustig zu. Ständig fahren bunt geschmückte Wagen vorbei, begleitet von überlauter Musik im Bollywood-Style und einer lärmenden, tanzenden Menge vor und hinter den Wagen. Natürlich, klar! Jetzt fällt es mir wieder ein – heute ist einer der höchsten Feiertage der Durga Puja. Die Göttin der Zerstörung, Durga, ist eine Inkarnation von Shivas Frau Devi,die manchmal auf einem Löwen, jedoch meistens auf einem Tiger (!) reitet. Die Leute winken und jubeln, wenn sie mich sehen und wie nicht anders zu erwarten, wir mein Tiger angefasst und bestaunt.
Vom Mumtaz Café aus, wo ich köstlich esse, kann ich dann alles mit Ruhe von oben betrachten. Wie bei dem Fest Holi auch werden hier Farbpulver in die mitziehenden und vorbeilaufenden Menschenmengen gestreut. Auf meinem Rückweg passe ich während des Fotografierens einmal nicht richtig auf und bekomme eine schöne Ladung Farbpulver, hauptsächlich rot, über Kopf, Arme und Rucksack ab.
Mein Fahrer lacht als er mich sieht und scheint auch keine Probleme damit zu haben, dass ich mich mit meinen Kleidern, nur notdürfig von Farbresten abgeklopft, in sein Auto mit dem weißen Leder setze…

Er möchte mir dann eine Werkstatt zeigen und wir vereinbaren, dass ich nur reingehe, nichts kaufe und danach keine Werkstatt mehr angefahren wird.
Die Besichtigung dauert dann ganze 2 Minuten und anschließend fährt er mich ruhig und sicher durch den Trubel auf den Straßen. Hunderte von Wagen mit der Göttin Durga warten noch darauf, die Strecke bis zum Yamuna fahren zu können, wo die Göttin samt Tiger und anderen Requisiten in einer Zeromonie dem Fluss übergeben werden.
In der Nähe des Roten Forts setzt er mich an einem Parkplatz ab und erklärt mir den Weg zum Kinari Bazar und warnt mich gleichzeitig vor den Betrügern und Taschendieben dort.

Der Bazar hat viele schmale, verwinkelte Gassen und gleicht einem Bienenkorb. Frauen, die ihr Obst und Gemüse schreiend anbieten, Kunden, die mit den Händlern lautstark feilschen, lärmende Musik aus kleinen Tempeln, hupende Motorradfahrer, Jugendliche mit Feuerwerkskörpern und auch hier die nicht zu überhörenden Durga-Prozessionen kreieren ein einmaliges, aber auch teilweise nerviges Klangbild, das beginnt meinen Tinnitus anzuregen – zum Glück habe ich heute an meinen Gehörschutz gedacht, mit dem dann all die Geräusche gut gedämpft werden.

Die Gassen in die ich mich wage, werden immer enger und verwinkelter, ich muss aufpassen, dass ich nicht die Orientierung verliere. Als ich um eine Ecke biege lächelt mich ein älterer Mann, der ein kleines Kind auf dem Arm schaukelt, mit breitem Grinsen an.
‚Hello! Hello! Where you from, Sir?‘

‚I am from Germany, Sir!‘
‚Oh, nice. Please come my house. Please come!‘
‚To your house???‘
‚Yes, please. Party! Me, Laxman house!‘

Mir bleibt eigentlich gar keine andere Wahl, weil er mich mit einer freien Hand am Ellbogen führt und gleichzeitig ein zweiter, jüngerer Mann mich von hinten schiebt. Lachend geht Laxman voraus, der jüngere singt hintendrein. Wir biegen um eine Hausecke und kommen zu einem schmalen, dunklen Durchgang. Dann geht es eine steile Steintreppe hinauf und durch einen noch dunkleren Türbogen. Noch ein letztes Mal um eine Ecke und dann öffnet sich der Weg zu einem kleinen Platz, der von vielen Häusern umgeben ist. Laxman ruft etwas und dann geht ein irres Spektakel los. Laute Musik ertönt und aus allen Ecken stürmen Jugendliche singend, hüpfend, tanzend und schreiend herbei; manche rufen ¨Tiger!Tiger!¨ Dann führt mich Laxman wie ein kleines Kind irre lachend zu einem Altar, den er selbst gebaut hat – Durga mit einem riesigen Tiger! Er bietet mir etwas Süßes zu essen an und obwohl ich weiß wie (für meinen Geschmack) übel das Zeug schmeckt, nehme ich an – tanzen muss ich dann auch noch. Ich schlucke das Zeug und geh tanzmäßig etwas ab. Jetzt sind sie schier am Durchdrehen und kommen mir kurz so nah, dass mir kein Platz mehr zum Bewegen bleibt. Laxman schickt sie wieder weg und dann möchte er, dass ich von ihm und seinem Enkel Fotos mache. Die Menge gibt keine Ruhe, bis ich auch mit Laxman vor dem Altar stehe.
Dann scheucht er die Menge zurück, nimmt mich fest in die Arme und führt mich wieder auf die Straße zurück. Oops, what was that? I love India!!!

Mein Körper verlangt nach Nahrung und vor allem nach einem Kaffee. Mein netter Fahrer weiß genau was ich brauche und fährt mich zu einer Filialie von Cafe Coffe Day.
‚Feel free, enjoy and relax. I’ll pick you up in 1 1/2 hours! See you!‘
‚Whow, you made my day. You’re my man, the best driver I ever had‘
Das gefällt ihm sichtlich und er setzt sich lachend in sein Taxi, während ich erwartungsvoll ins Cafe gehe.
In der Auslage sticht mir ein großes Stück Schokoladentorte ins Auge, wozu ich mir einen Capucchino bestelle.
‚Small, medium or large?‘
‚Mhm, show me the small cup, please!‘
‚Hey man, you need a large one! I can see it!‘
Der junge Kerl hinter der Theke grinst breit und ich ebenso. ‚Okay, large!‘ Kuchen, Kaffee sowie Musik sind herrlich und ich genieße die entspannte Atmosphäre und lese eine Stunde…
Mein Fahrer bringt mich pünktlich zum Bahnhof und ich bin total happy. Was für ein ereignisreicher Tag! Der beste Taxidriver Agras bekommt noch 300 Rupees Trinkgeld und dann gehts wieder zurück nach Delhi!

Am nächsten Tag besuche ich den Jama Masjid, die größte Moschee Indiens. Da mir etwas Bewegung fehlt, gehe ich zu Fuß und passiere dabei den lebaften Sadar Bazar, einer der größten Märkte. Ich muss mehrmals nach dem Weg fragen und nach einer dreiviertel Stunde komme ich, durch die aufgrund des nächtlichen Regens stark verschmutzte Straßen, in das Viertel, in dem die Moschee steht. Zuerst muss ich eine Sicherheitsschleuse passieren, an der vier Uniformierte sitzen. Es piept wild, als ich durchgehe, doch keinen der Beamten, die alle auf ihr Mobiles in ihren Händen starren, scheint das zu kümmern. Eine steile Treppe führt zum Eingang hinauf, vor dem große Hinweisschilder mit Verhaltensregeln stehen. Nach dem Tor öffnet sich ein großer quadratischer Platz, in dessen Mitte sich ein flaches Becken mit einem Springbrunnen befindet. Kinder spritzen sich gegenseitig nass und wenn sie es übetreiben, werden sie von Erwachsenen ermahnt, die in dem Becken ihre Waschungen vornehmen. Das Gebetshaus selbst ist zum Hof hin offen, durch Wände geschickt abgeteilt und hat interessante Wand- und Deckenmuster. Viele Männer knien vor den Wänden und beten, andere sitzen zusammen und diskutieren, während gleichzeitig Besuchergruppen lautstark von einem Guide durch die Räume geführt werden. An einer Ecke sitzen zwei ältere Herren und schauen fast gelangweilt in die runde, spielen Karten oder dösen. Ich setze mich in der Nähe der beiden auf den angenehm kühlen Marmorboden an eine Wand gegenüber und gehe einer meiner Lieblingbeschäftigung nach: Leute beobachten!
Irgendwann habe ich genug geschaut und mache einen Spaziergang auf der Mauer. An der südlichen Ecke der Moschee steht das Minarett, das man gegen eine geringe Gebühr besteigen kann. Schmale Stufen, ich zähle 121, führen durch das ziemliche enge Treppenhaus, wobei mich einer der die Ticketkontolleure, bis nach oben begleitet. Was der nicht englischsprechende Typ von mir will, ist mir nicht recht klar, alle anderen Besucher steigen den Turm alleine hoch. Oben gibt es dann eine schmale Plattform und rundherum einen schmalen Absatz, der an der einen Seite nur zehn bis fünfzehn Zentimeter breit ist. Will man nach allen Seiten schauen, muss man auf diesem schmalen Absatz entlang ehen. Ringsherum ist jedoch bis zur Kuppel hoch ein Metallzaun angebracht, an dessen Maschen ich mich gut festhalten kann. Es sind schon sehr viele Besucher oben und ich bin der einzigste Westler. Mein Schatten starrt mich ständig an und nach ein paar Minuten bedeutet er mir wortlos weiterzugehen und zeigt, unterstützt von einem Grunzen, in die Richtung in die ich schauen soll. Ich ignoriere ihn, da ich mit Schauen noch nicht fertig bin und ich gerne langsam weitergehe, außerdem ist im Moment auf der Plattform genügend Platz und jeder hat freien Blick. So umrunde ich allmählich den halben Turm, begleitet von meinem grunzenden und gestikulierenden Anhängsel. Als ich auf der Seite bin, auf der man auf die Kuppeln der Moschee schauen kann, tippt er mir auf die Schulter und zeigt die Stufen hinunter, heftig grunzend. Jetzt reichts aber! Alle anderen (inzwischen auch Westler) sind ohne Quasimodo im Anhang auf dem Turm. Ich verbitte mir sein nerviges Gewedel seinen Händen und warne ihn, mich nicht noch einmal anzufassen! Er schaut nur blöde und ich frage laut in die Runde, ob nicht bitteschön irgendjemand dem Kerl das übersetzen kann. Ich muss das zweimal wiederholen bis sich jemand erbarmt. Endlich trollt die Klette sich und ich kann in Ruhe weiterschauen.
Die Kuppel, die unter uns liegt, wird von unzähligen Tauben bevölkert, die in einem geheimen Rhythmus aufsteigen und wieder landen, meistens als gesamte Gruppe. Zwischendurch versuchen Kytes sich ein paar Tauben zu schnappen und greifen in spektakulären Flugmanövern die Tauben an, jedoch ohne Erfolg. Nach einer Stunde auf dem Turm habe ich genug, außerdem kommt ordentlicher Wind auf, von Osten her kommen dichte schwarze Wolken heran und ich denke, da oben wirds bald sehr nass werden. Gerde noch rechtzeitig bin ich wieder zurück in der Moschee, als ein ordentlicher Regenguss niedergeht. Die einzigsten, die sich darüber freuen, ist die Kinderschar am Brunnen, die die gefließten Umrandungen nun als Rutschbahn verwenden, indem sie Anlauf nehmen und bäuchlings über den glitschigen Marmorboden schlittern. Nach einer Viertelstunde ist der Spuk schon wieder vorbei und ich gehe zum Ausgang, wo ich feststelle, dass meine Flip-Flops verschwunden sind. Ich frage die Aufpasser am Tor und die interessiert das gar nicht, ich hätte die Schuhe ja mit hineinnehmen können. Hier draußen steht jedoch das Riesenschild, auf dem die man aufgefordert wird, die Schuhe HIER auszuziehen. Ich zeige auf das Schild und frage, worauf sie eigentlich hier aufpassen und was das Ganze soll.
‚Wait a minute. I will make a call. Maybe someone took it for going to toilet‘
‚???‘
Keine zwei Minuten kommt einer junger Kerl die Treppen hoch gelaufen – mit meinen Flip-Flops in der Hand. Einer der Wärter redete auf mich ein und ich vertehe in erst nicht
‚Now you pay him‘ ‚What???‘ ‚You pay 100 Rupees, he took care of your shoes!‘
‚I didn’t expect to have my shoes stolen in front of a holy place and then be asked for money just for following the rules on your signboard!‘
‚No, your fault! Pay him‘
‚You are crazy people here!‘
Ich drehe mich um und gehe‘ nachdem ich noch (sorry) das F-Word los werden musste, die Stufen hinunter. Wieder reagieren die Beamten nicht auf das Gedudel der Sicherheitsschleuse…

An meinem letzten Tag in Delhi unternehme ich einen langen Spaziergang zum Connaught Place und von dort ab fahre ich mit der Metro für acht Rupien ein paar Stationen bis zum Lodi Garden, einer der schönssten Parks in Delhi, der in der Hauptsache von Streifenhörnchen und Händchen haltenden Liebespaaren bevölkert wird. Einige Enten, Schwäne und Pfaue gibt es hier auch, aber vor allem herrscht hier Ruhe und das Auge bekommt Grün satt. Hier lasse ich es mir ein Weile gut gehen bis mich der Hunger packt und ich zum Khan Market fahre, um dort im stilvollen, mit italienischem Ambiente ausgestatteten Amici, eine teuere, aber leckere Pizza verzehre, wobei mir von der Wand herab Marilyn Monroe gelassen zuschaut.
Dann wird es Zeit und ich nehme die Metro bis zum Bahnhof New Delhi. Diesmal sind alle Abteile dicht gepackt und man Schwierigkeiten beim Hinein- nd Herauskommen – zum Glück sind es nur vier Stationen. Zurück im Hotel gibt es einen letzten Hot Ginger Lemon Honey, dann packe ich schon mal für morgen früh – Jaipur is waiting!

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