Mandrem – Die letzten Tage in Indien 25.1.2014 – 29.1.2014

Wenn man in so einer Sache drinsteckt kommt es einem manchmal unglaublich vor, was man ertragen muss. Aber erst das Gute. Mein Engel von Konsul hat mich so früh nach Panjim gerufen, weil er sich wohl schon dachte (übrigens waren meine Passfotos irgendwie verkehrt und der Herr Konsul hat sie noch am PC bearbeitet, als er im Hotel in Mumbai saß, der verdient echt ne Medaille), dass der Rest nicht so schnell erledigt sein wird. Da sitzt dann also so ein Schnösel von Beamter bei der Ausländerpolizei und will erst mal die ganze Story hören. Um aus dem Land heraus zu können, muss ich nachweisen können, dass ich LEGAL im Land bin. Das zeigt normalerweise der Einreisestempel. Nur war der bei mir auf einer Seite im Pass, von der keine Kopie existiert. Du kopierst dir die ersten Seiten von deinem Pass und dein Visa, klar, aber doch nicht den ganzen Pass, Mann. Wo bin ich denn? Okay, meine ich, er soll eben in der Grenzstation anrufen, wozu gibt’s denn Telefone? Ich weiß ja, wann ich angekommen bin.

‚No no, Sir. That’s not so easy as you think. I need the confirmation on paper from the officer from this checkpoint! I send now a fax and hopefully they will read it and response in time.‘

Leider kam ich am einer kleinen Grenzstation an und die haben keinen Computer. Erst mal ein Fax schicken und dann auf Antwort warten (ha, es ist Wochenende und Unabhängigkeitstag, was glaubt der, wann die in Raxalu sich regen?).

Ich melde mich bei Ihnen am Montag.

Ne, Sie geben mir Ihre Nummer und ICH melde mich bei Ihnen (sonst warte ich ewig, bis sich der Herr Beamte meldet)!

Auf der Fahrt nach Mandrem fällt mir ein, dass ich doch ein paar Freunde dort oben in Little Flower habe. In Mandrem setze ich mich erst mal ins Internet-Café. Nummern, ich brauche Telefonnummern! Wahnsinn, Sebastian ist momentan auf Skype online, was nicht oft vorkommt. Meine Story im Schnelldurchlauf. Kurzes Nachdenken. Okay, beide denken wir an Shyam. Sebastian gibt mir seine Nummer. Warte, stop. Sebastian sieht, dass Shyam auf Skype online ist! Er schickt mir den Kontakt und ich rufe auch gleich an! Shyam nimmt sofort ab und versteht meine missliche Lage. Zum Glück gibt es Internet! Ich schicke ihm alle Daten per PN über Facebook und er verspricht mir, heute oder morgen an den Checkpoint zu fahren. Shyam ist völlig entspannt und er klingt als würde er über den Verkauf von ein paar Hemden oder Stoffe in seinem Laden verhandeln müssen.

‚Don’t worry Willy, all will be fine! I’ll do it as soon as possibel! You will get your flight!‘

Er fährt noch Samstag Nacht zum Checkpoint, verklickert denen die Geschichte und schwupps rufen die in Panjim an. Der Eumel, der meinen Fall bearbeitet, sagt mir am Montag morgen, dass es noch nichts neues gibt! Unglaublich! UNGLAUBLICH !!! Ich sage ihm, dass die Grenzstation schon angerufen hat. Ne ne, er braucht das schriftlich und zwar in einem Brief! AARGGHHH, hat der sie noch alle? Ein Brief kommt doch nie im Leben rechtzeitig an! Mir wird es zu bunt und ich greife in die Trickkiste – ich heule los, direkt vor meinem Lieblingsrestaurant, mir ist jetzt alles egal, ich will nur noch RAUS!

‚I lost all things, I have no money, I have no credit cards, I can’t change my flight. Please, please, help me Sir‘

Das hilft etwas.

‚Okay, I look what I can do and call you back‘.

So ein …
Zwei Stunden später ruft er an, ich soll mit zwei Passbildern kommen. Alles wäre in Ordnung. Ab auf den Roller, ab nach Panjim (zum vierten Mal). Dort lässt es mich erst mal warten. Am Ende grinst mich ein anderer Officer ganz stolz an.

‚Your the German, right?. I got the call at Saturday!‘

Anscheinend will er jetzt ein Lob von mir, dafür dass er SCHON vor zwei Stunden die wichtige Informationen an seinen Kollegen weitergegeben hat, die er schon vor zwei Tagen bekam! In mir kocht es noch ein bisschen, aber ich bleibe freundlich, denn das überaus wichtige Papier mit dem Stempel ist noch nicht in meinen Händen! Wir müssen als letzten Schritt zum Polizeichef, zu Herrn Shree Tony Fernándes, ein sehr freundlicher Mensch, der mich nur kurz und verständnisvoll ausfragt. Er singt ein paar mal ‚Ram Ram, Aum Hare Ram‘, als er meine Kette mit dem Aum-Zeichen sieht und hält seine hoch. Herr Fernándes will noch wissen, wo ich hinfliege und fragt mit gespielten Entsetzen

‚You don’t come back to Goa?‘

‚Of course I will come back. I just had bad luck, but I love Goa!‘

Jetzt unterschreibt er mit einem väterlichen Lächeln das Zertifikat, das nicht nur meinen legalen Aufenthalt in Indien bestätigt, sondern auch konstatiert, dass polizeilich nichts gegen mich vorliegt. Ich hab’s also schriftlich, dass ich ein braver Junge bin! Der Humor stirbt zuletzt…
Nun ist mir nach feiern und ich gehe ins nahe gelegene Upper House, das sehr gute Kritiken hat. Ein sehr feines Restaurant mit Bar, halb voll mit betuchten Indern besetzt. Fisch soll es sein und auf der Speisekarte springt mir ‚Fish Portuguese‘ ins Auge. Lecker, sehr lecker sogar! Verschiedene Fischarten in kleinen Stücken auf einem Bett dicker Tomatensauce mit Zwiebeln, buntem Paprika, grünen und schwarzen Olivenringen sowie Ananas, als Beilage Kartoffelbrei (und ein Fosters). Sag ich doch, lecker!

Gemütlich, erleichtert, beschwingt, aber vorsichtig tuckere ich nach Mandrem zurück, packe meinen großen Rucksack, bringe ihn zum Taxistand, kläre noch mal die Abfahrtszeit und trinke noch ein Bier in Dunes, meinem Lieblingsrestaurant in Mandrem. Noch eine Nacht, dann heißt es ‚Tschüß Indien‘!

Palolem 21.1.2014 – 25.1.2014

Wie geplant fahre ich mit dem Roller nach Palolem, bezahlt hatte ich ja im Voraus und der Tank ist nahezu voll. Lothar und Conny hatte ich schon verständigt, die beiden erwarten mich und werden mir helfen. Nach einer Stunde bin ich in Panjim und finde auch relativ schnell das Deutsche Konsulat. Mr. Raikar empfängt mich und ich kann es vorweg nehmen, er ist ein Engel. Ich fülle die Formulare aus, hefte meine neuen Verbrecherfotos an und lege dem Antrag meine Passkopie sowie mein E-Ticket bei. Mr. Raikar verbindet mich mit dem deutschen Botschafter in Mumbai und ich kann endlich in meiner Sprache meine Situation darlegen. Es wird alles daran gesetzt, dass mein Pass rechtzeitig fertig wird, jedoch muss heute noch die Gebühr von 7.500 Rs eingezahlt werden. Nun ja, ohne Geld wird das lustig und die Dame am Telefon hatte alles mögliche aufgezählt, aber nichts von der Gebühr erwähnt. Abishek hätte mir das Geld auf jeden Fall ausgelegt. Wenn ich meinen Flug bekommen möchte, gibt es im Prinzip nur eine Möglichkeit, Geldtransfer mit Western Union. Da ich keinen Pass habe, wird das schwierig. Jetzt muss ich einen anderen Engel in Deutschland wecken, aber die Schalter von Western Union öffnen erst in zwei Stunden. Der Konsul müsste bald los, damit das Geld mit dem Antrag noch heute los geschickt werden kann. Er sieht, wie und was ich mit der Heimat chatte und beruhigt mich.

‚Don’t worry, Sir. I will do it with my money and you will send me later the transaction code per sms, I trust you. It’s all right!‘

Wow! Ich bin erst mal sprachlos, bedanke mich dann herzlich, erledige den Rest. Ich fühle mich total beseelt und gehe dann erst mal was essen. Auf meinem Weg komme ich an einer schönen weißen Kirche vorbei und ich setze mich für eine Weile auf eine Kirchenbank. So sitze ich eine Weile und am Ende gehe ich auf die Knie, bekreuzige mich und bedanke mich für mein Leben. Das kam einfach so über mich und hat mich selbst überrascht. Freier im Kopf und mit Vorfreude auf Lothar, Conny und Steffen schwinge ich mich auf den Scooter.

Die Fahrt in den Süden führt durch wunderschöne Landschaften, sattgrüne Reisfelder, oft umrahmt von Palmen und sanft geschwungenen Hügeln im Hintergrund. Wie aus dem Bilderbuch.
Dann passiert’s. Kurz vor meinem Ziel überholt mich ein Auto, das schon seit Minuten hupend hinter mir her ist. Warum der Fahrer überholen will, obwohl direkt vor mir Autos fahren? Keine Ahnung. Eigentlich habe ich den Impuls das Gas wegzunehmen, aber mein Ego kommt mir dazwischen. Ich bin zwar nur ein Tourist, aber die Kurven den Berg hoch schaffe ich auch mit 50 Sachen, wirst schon sehen. Der Fahrer überholt mich also und kontrollieren zu früh nach links zurück. Dann geht alles blitzschnell, das Auto erwischt mich am Vorderrad und ich komme ins Schleudern. An das was dann folgt, kann ich mich nicht erinnern, nur dass ich dachte ‚Scheibe, nicht fallen!‘ Ich sehe noch wie mein Lenker mal nach links und dann mag rechts quer steht, aber so als wäre ich ein Beobachter. Als ich wieder klar denken kann, kann ich es kaum fassen. Ich sitze auf meinem Roller am Straßenrand und habe den Lenker so fest in der Hand, dass du fast weg tut. Der Fahrer steigt aus und natürlich tobe ich zunächst. Okay, nichts passiert, ich hole tief Luft und bedanke mich abermals für mein Leben!
Am Scooter ist ein kleiner Kratzer an einem Plastikteil, ich mache mit meinem Smartphone Fotos vom Fahrer, vom Schaden und vom Nummernschild. Nach einigem Hin und Her fahren wir zur nächsten Honda-Werkstatt kurz nach Palolem, das Teil kostet 40 Rupien, aber die Verkäuferin besteht darauf, dass der Fahrer mir 50 Rupien gibt, weil ich nochmal gefahren muss, das Teil ist nicht vorrätig.

In Palolem treffe ich mich erst mal mit Conny und Lothar. Schön, Deutsche! So jetzt hole ich mir erst mal zwei Umarmungen ab! Gemeinsam machen wir uns auf die Suche nach Steffens Unterkunft, der Kerl hat ja kein Telefon. Im Sea View wo er laut Email zuletzt war, kennt ihn niemand. Da ich schon einmal hier bin. frage ich nach einer Unterkunft. Die Hütten mit Seeblick sind alle belegt, aber hinten gibt es noch weitere Zimmer und eines ist sogar noch frei. Der Sohn der Vermieterin bekannt mit, dass ich nach einem Steffen suche. ‚Steffen from Germany? He stays in the room opposite of you!‘
In diesem Moment kommt er gerade vom Schwimmen zurück. Steffen steht mit dem Rücken zu mir und ich rufe ihn. Ungläubig dreht er sich um… er freut sich tierisch und ich bekommen noch ne deutsche Umarmung! Sofort geht es mir mehrere Stufen besser. Ich weiß nicht, was es genau ist, aber dieser verrückte Kerl hat eine wahnsinnig positive Energie!

Die nächsten Tage verbringe ich abwechselnd mit meinen drei Deutschen. Sonnen, Baden, fett Essen gehen, guten Rotwein trinken, Canasta spielen, Faulenzen und hauptsächlich Lachen. Steffen und ich verstehen uns blendend und nicht nur einmal habe ich Bauchschmerzen vor Lachen. Von den vielen verrückten Aussteigern ist er auf jeden Fall der Lustigste!

Zwischendurch denke ich natürlich an meinen Pass und hoffe, dass er bis Montag fertig ist. Am Freitag kommt dann der Anruf von meinem Engel aus Panjim. Zunächst verbindet er mich mit dem Botschafter in Mumbai. Leider wird es enge mit dem Pass, falls das Bürgeramt in Heilbronn nicht die Daten meines Originalpasses bestätigt. Sofort düse ich ins Internetcafé, such die Email-Adresse und bitte darum, die Anfrage aus Indien zu bearbeiten. Eine Stunde später sitze ich wieder am Strand, als mich mein Engel anruft. „Heilbronn confirmed! Please come tomorrow to Panjim in my office!“ Er hat den neu ausgestellten Pass und wird im Büro sein (obwohl Samstag ist). Mit dem neuen Dokument muss ich noch zur FRRO, der Ausländerpolizei. Dort muss in meinem vorläufigen Reisepass bestätigt werden, dass ich legal nach Indien eingereist bin (nun ja, die erste Nacht in Little Flower war ja quasi illegal!)

Das bedeutet nun nach vier Tagen wieder Abschied nehmen, denn auf keinen Fall fahre ich die Strecke noch einmal hoch und runter. Nach Mandrem im Norden  muss ich sowieso, um mein Gepäck abzuholen und den Roller zurückzubringen. Außerdem ist es von dort näher zum Flughafen. Schade! So long, Steffen! Good-bye Conny und Lothar!

Mandrem 20.1.2014 – The worst case? Super-GAU? Oder Hans im Glück?

Es ist der 20. Januar und ich wache aus einem sehr tiefen Schlaf auf. Es ist noch früh, auch Tanya wacht auf der anderen Seite des Raumes auf. Ich höre wie sie erschreckt etwas ruft und dann ihre fehlende Tasche beklagt. Sie geht in den Vorraum und nun höre ich sie schreien. Ihr großer gepackter Rucksack ist nicht mehr da. Ich folge ihr und trete vor das Haus. Unten an der Treppe liegen Dinge verstreut, die mir gehören. Während ich noch belustigt darauf schaue, weil ich denke dass der Hund, der ab und zu im Kindergarten ist, dahinter steckt, meldet sich mein Verstand wie aus einem Nebel. Wie? Was ist mit Tanyas Rucksack? Plötzlich werden meine Beine schwer und mein Hirn fühlt sich an wie Blei, weil mir langsam dämmert was hier los ist! Scheiße, wir wurden beklaut! Wie konnte das passieren? Was ist da passiert? Ich lasse den letzten Tag Revue passieren:

Wieder stehe ich früh auf, um im Dunes zu fragen, ob es eine Bootsfahrt zu den Delphinen gibt. Leider nein. Dafür genieße ich ein Frühstück zusammen mit Raquel, eine Dänin die dort öfters anzutreffen ist und immer eine große Hundeschar unter ihrem Tisch hat. Ich erzähle von meinem geplanten Trip nach Palolem. Eigentlich könnte ich nach dem Frühstück gleich los. Aber dann setzt sich der Gedanke fest, dass heute Sonntag ist und deshalb vermutlich viel Verkehr auf den Straßen sein wird (das war und ist ein selten dämlicher Gedanke, da in Indien die Straßen immer voll sind….).

Dann geschieht etwas sehr seltsames. Während unseres Frühstückes landet an unserem Tisch auf dem Holm der Holzumrahmung des Restaurants ein Greifvogel. Eine Art Milan, Brahminy Kite nennen in die Angestellten, sitzt also da und beäugt  mich und Raquel, aber hauptsächlich mich. Nun, er wird es wohl auf mein Frühstück abgesehen haben. Ich kann meine Hand langsam annähern, den Vogel stört das nicht. Abwechselnd versuche ich es mit Brot, Omelette oder Gemüse, jedoch würdigt der Milan das Essen keines Blickes. Meine Hand ist direkt vor seinem Schnabel und er schaut mich nur an…. Eine halbe Stunde vergeht und der Kite sitzt immer noch da, auch wenn andere Restaurantgäste oder die Angestellten kommen um ihre Bilder zu schießen. Immer wieder frage ich den Vogel, was er von mir will und warum er mich so eindringlich anschaut….

Nachdem ich beschlossen habe erst morgen nach Palolem zu fahren, nutze ich den Tag noch zum Shoppen in Arambol, wo ich sowieso noch hinmöchte. Am Abend findet außerdem ein interessantes Konzert statt. Davide Swarup aus Italien, den ich zwei Tage vorher im beim Erdbeerlassi kennengelernt habe, erzählt mir davon und lädt mich ein. Er spielt Hang Drum, sein Begleiter die Kamancha, eine Urform der Violine.

So packe ich nach dem Frühstück meinen Roller und den Geldsafe, den ich unter der abschließbaren Sitzbank ordentlich verstaue. In Arambol kaufe ich noch ein paar Geschenke und Kleidung (obwohl ich keine brauche…). Meinen kleinen Rucksack mit Kamera, E-Book usw. lasse ich im Kindergarten, denn abends will ich vor dem Konzert noch zum Drum Circle am Beach – „…it’s a must“, meint Davide. Der Abend wird dann wunderschön, tanzende und trommelnde Menschen am Strand, danach das Konzert mit himmlisch schönen Klängen, so schön dass ich beschließe alle drei CD’s die Davide anbietet zu kaufen. Ich habe nicht genügend Geld dabei und muss erst zu meinem Roller, um aus dem Safe Geld zu entnehmen. Zum Abschluss bekomme ich von Davide noch eine herzliche und feste Umarmung. Anschließend gehe ich noch zum Shree Ganesh Restaurant, das mitten in Arambol an einer Kurve liegt. Ein kleines zur Straße hin offenes Restaurant, in dem fast jeden Abend spontane Jam Sessions stattfinden. Heute sind sehr viele Musiker da und es herrscht eine ausgelassene Stimmung. Zu Hause angekommen, parke ich den Roller und zögere. Was mache ich jetzt mit dem Safe? Ach, ich lasse ihn im Roller. Mein nächster Gedanke ist im Nachhinein ein warnender. ‚Besser ich nehme den Safe aus dem Roller, falls Diebe (!) kommen.‘ Bevor ich mich schlafen lege, schiebe ich den Tresor in den Rucksack zu den anderen Wertsachen. Die Haustür im Kindergarten war nicht abgeschlossen, Tatjana und die Tochter von Natascha schliefen schon. Okay, Natascha müsste ja auch bald kommen, vermutlich hat Tatjana deshalb offen gelassen. Also lasse ich auch offen, damit sie ins Haus kommt. Der letzte fatale Fehler in der Kette der Ereignisse, den Natascha kam in dieser Nacht nicht nach Hause – andere Geschichte…

Als ich tags zuvor wegen des anstehenden Besuches mein Zimmer räumen musste, hatte ich meinen Reisetresor im Zimmer meiner ‚Chefin‘ nicht wie üblich mit der langen Kette am Fenstergitter gesichtert. Ja Mensch, wie sieht das denn aus, du darfst bei jemanden übernachten und schließt in dessen Raum deine Sachen an eine Kette? Ne, da käme ich mir dämlich vor. Jetzt bin ich schlauer und stehe ganz schön dämlich da. So viele Umstände, die zusammen kamen, dass mein Safe dort war, wo er geklaut werden konnte und eventuell wollte der Kite mir gestern nur sagen, ich solle doch am Sonntag fahren…? Ja? Nein?

Das alles kommt mir so nach und nach hoch. Zunächst habe ich keine Ahnung, was ich jetzt machen sollen. Irgendwie bin ich verdammt ruhig, ich tobe nicht, ich schreie nicht, ich jammere nicht. Wir verständigen Natascha und fahren gemeinsam nach Arambol zur Polizei. Dort wird alles sehr verständnisvoll, jedoch handschriftlich aufgenommen. Als der Beamte die Liste mit meinen fehlenden Gegenständen sieht, zieht er die Augenbrauen hoch und schüttelt sorgenvoll den Kopf. „We cannot write down that you have been stolen.  Because of the Passport there will be an investigation. That will take two weeks or more! Just say you lost it. That is better, believe me!“ Hallo, mein Flug nach Tel Aviv geht nächste Woche und ohne Kreditkarte, kann ich auch nicht umbuchen. Auch der Rückflug nach Stuttgart ist schon unter Dach und Fach. Also gut, dann habe ich die Sachen eben verloren. Ich frage den Beamten, ob ich mit der Passkopie und einem Schreiben der Polizei außer Landes komme. Er lächelt nur müde. „You need a new passport and you have to go to our consul in Panjim!“ Da dämmert mir, dass das alles jetzt ganz eng wird. Für den Antrag des neuen Passes benötige ich das Schreiben der Polizeibehörde und zwar getippt. Der Beamte erklärt mir, dass er in Arambol jeweils nur zwei Stunden arbeitet und das Schreiben im Hauptbüro in Pernem erstellt wird. In drei Tagen könnte ich es abholen. „Three days? Maybe that’s too long!“ „Okay, I close my office here in half an hour and at 11 a.m. I will be in Pernem. Come there!“ Punkt 11 bin ich natürlich dort, habe ja zum Glück meinen Roller. Der Beamte verspätet sich um eine halbe Stunde. Er sieht mich auf der Wartebank und meint ganz kurz „One minute!“. Es werden dann 10 Minunten, aber dann weist er einen Angestellten an für mich das Verlustschreiben zu tippen und zwar sofort. Kurze Zeit habe ich das Ding in der Hand. Nun düse ich zurück nach Mandrem und setze mich ans Internet um mit dem Konsulat zu telefonieren. Eine nette Dame erklärt mir, dass ich eine Passkopie, neue Passfotos und ein Schreiben der zuständigen Polizeibehörde brauch. Gut, Passbilder. Okay, bekommen wir auch noch hin.

Mandrem 8.1.2014 – 20.1.2014

In Trivandrum habe ich zwei Premieren: Pünktlichen starten wir mit einem Zweipropeller (!) nach Bengaluru (mein Umsteigeort schlechthin!), wo wir dann direkt auf dem Flugfeld in den nächsten Flieger steigen! Im Flieger ist es eng, die Motoren dröhnen sehr laut und während des Fluges schüttelt es uns kräftig durch.
Am Flughafen Dabolim nehme ich mir ein Taxi, eine Stunde später bin ich in Mandrem, wo mich Tanya abholt. Leider ist Tanyas Ausstellung schon vorüber. Sie arbeitet nun an einem neuen Projekt in einem Kindergarten für russische Kinder. Falls ich Lust habe, könne ich mithelfen oder etwas Eigenes anbieten, übernachten ist umsonst und wenn für die Kids gekocht wird, darf ich mitessen. Gleich bei der Ankunft lerne ich meinen neuen Boss, Natasha kennen, die eines der drei Zimmer mit ihrer kleinen Tochter Katharina bewohnt. Das zweite Zimmer, in dem Bastelarbeiten vorbereitet werden, darf ich bewohnen. Ein drittes wird von Victor genutzt, einem jungen Russen, der im Kindergarten seine handwerklichen Fähigkeiten einbringt. Das vierte Zimmer ist das Ess-, Spielzimmer und Küche zugleich. Alle Programme mit dem Kindern finden aber draußen in dem liebevoll dekorierten Palmengarten statt.
Mandrem ist etwas abseits vom üblichen Rummel, trotzdem ist es gut besucht. Natürlich gibt es hier auch Shops und Restaurants, aber alles sehr Shanti Shanti, keine nervigen Verkäufer, auch am Strand nicht. Dieser ist übrigens wunderschön weitläufig, sauber und sicher. Am Strand entlang, jedoch so weit zurück versetzt, dass es nicht stört, sind einige Hotels oder Resorts, wo man Luxushütten mieten kann. Mehrere kleine Obstmärkte und Lebensmittelgeschäfte verkaufen gute Ware, wie ich immer feststellen kann, wenn ich mich für den Tag eindecke.
Mandrem ist außerdem ein Ort mit vielfältigen kulturellen Events. Musik, Tanz, Akrobatik, Feuershows oder abgefahrene Multi-Media-Performances sind immer irgendwo in Mandrem oder der näheren Umgebung zu finden. Wer mehr möchte kann Unterricht in den unzähligen Meditations-, Yoga-, Tai Chi-, Tanz- oder Malkursen nehmen. Ach ja, nicht zu vergessen, Techno-Partys, hauptsächlich in Arambol! Wem es hier langweilig wird, ist selber schuld. Vieles ist sehr alternativ und wirkt oft improvisiert, teilweise habe ich das Gefühl, irgendwo in einer hippen Ecke in London oder Berlin zu sein. Goa ist einfach geil!

Mein Kindergarten-Job

Einige der Eltern, die ihre Kinder hierher in den Kindergarten bringen, sind Russen die in Goa ein Geschäft betreiben oder sonstwie ihren Lebensunterhalt verdienen. Viele sind aber einfach auch Langzeiturlauber. Die Kleinen sind zwischen zwei und acht und werden auf vielfältige Weise beschäftigt. Vassili töpfert, Tanya gibt Malkurse und Natascha singt mit den Kindern und bringt ihnen so nebenbei etwas Englisch bei. Das macht sie sehr geschickt. Immer wieder gibt es kleine Zeiteinheiten, in denen es um Tageszeit, Farben, Tiere oder Körperteile geht. Die Kinder sollen Fragen beantworten oder Sätze nachsprechen und bekommen alles mehrmals mit, da Natascha das Frage-Antwort-Spiel mit jedem Kind durchgeht. Manche Kinder entziehen sich und gehen dann in die Hängematte oder spielen für sich. Aber Natascha hat eine unwahrscheinliche Geduld und Ausdauer, sie unterhält sich dann eben aus der Entfernung mit den Kindern. Irgendwann bekommt sie so alle zum Sprechen!

Seit neuestem gibt es Body-Move-Classes, Stickfighting und Herstellen von Geldbeuteln aus Tetra-Packs! Ein paar der Jungs und Mädels sind mitunter ganz schön aggressiv, weshalb wir beschließen einen „Fight Club“ mit klaren Regeln zu installieren. Das gefällt den Kindern, vor allem wenn ich unter allen Kindern begraben liege und Natascha um Hilfe rufe. Aber nicht immer lasse ich sie gewinnen, was manchmal auch zu tränenreichen russischen Schimpfkanonaden führt. Am Ende vertragen wir uns alle wieder und am nächsten Tag geht es wieder von Neuem auf die Matte! Beim Basteln der Geldbeutel sind die Kids eifrig dabei und stolz zeigen sie den überraschten Eltern ihre Werke.

Events

Prem Joshua tritt im Sunset in Mandrem auf, was ich mir natürlich nicht entgehen lasse. Vom Strand aus hat man einen guten Blick auf die Bühne und der Sound ist genau richtig. Nach dem unbeschreiblich schönen und energiegeladenen Konzert bitte ich Prem zu einem Foto für unseren Freund Nathulal in Pushkar, gerne tut er mir den Gefallen.

Im Oshoanic in Arambol lerne ich den Besitzer, Abishek Prem, kennen. Dort gibt es allabendlich Konzerte, heute ist Fusion angesagt, saugut mit Sitar und Tabla. Auf dem Programm steht auch indische Klassik, Sufi und East meets West. Ab und zu schaue ich dort vorbei.

Ash ist ein Theater Projekt unter freiem Himmel und ich genieße dort direkt am Fluss, der in dieser Gegend parallel zum Strand verläuft, einen unvergesslichen Abend mit atemberaubenden Tanzeinlagen, exzellenter Live Music. Einer der beiden Musiker spielt eine Oud und singt dazu wunderschöne arabische Lieder. Sein Partner ist der Percussionist, Sitarspieler und Vocalakrobat. Eine dazu perfekt abgestimmte Lichtinstallation rundet die Show visuell ab. Insgesamt richtig schräg und ich kann mich gar nicht satt hören und sehen.

Freizeit

Meistens ist um zwei, spätestens drei Uhr Schluss im Kindergarten. Auch Samstags und Sonntags habe ich frei. Nach zwei Tagen schaue ich mich nach einem Scooter um und klappere damit die Gegend ab und fahre an abgelegene Strände, an denen kaum etwas los ist.
Wenn ich nicht gerade schwimme, lese oder döse, sehe ich den unzähligen Kitesurfern zu oder übe mit den Stöcken.

Kovalam 30.12.13 – 8.1.2014

Am darauf folgenden Morgen miete ich ein Taxi und lass mich ganz bequem durch schöne Landschaften die achtzig Kilometer nach Kovalam fahren. Der Fahrer ist angeblich der Bruder des Agenten, mit dem ich den Deal abgeschlossen habe.

‚A very good driver, Shanti Shanti!‘

Nun ja, am Ortsausgang fährt er gleich mal in die falsche Richtung (es gibt neben Kanyakumari ein zweites Kovalam, gerade mal drei Kilometer entfernt!) und muss an einem Teestand nach dem Weg fragen. Mich stört das wenig, das Zimmer im Sea Flower ist reserviert und mit dem Agenten wurde für die Fahrt ein Fixpreis, umgerechnet 22 €, ausgehandelt. Soll er sich ruhig verfahren, dann sehe ich eben mehr vom Land! Alle paar Minuten hält der Fahrer und fragt, wo es nach Kanyakumari (!) geht. Kovalam, Kovalam! Zweimal verbessere ich ihn und dann ist es mir wirklich Wurst! Auf dem Rücksitz halb liegend lasse ich die Dörfer, Städtchen und Felder an mir vorbeiziehen. Ab und zu sehe ich schrill bunte Kirchen, manchmal mit einer Art Krippe davor und viel Watte, die wohl Schnee darstellen soll. Zweieinhalb Stunden dauert die Fahrt und unterwegs ruft das Hotel an, um dem Fahrer den Weg zu erklären, netter Service.Im Sea Flower nimmt mich der Besitzer erst mal in die Arme (?), leider gibt es nur Zimmer mit AC und Meeresblick für 1 500 Rs. Er kann mir jedoch ein Zimmer bei seinem Freund nebenan besorgen. Good Morning heißt die Unterkunft, liegt um die Ecke in einer ruhigen Gasse und zum Strand sind es auch nur zwei Minuten. Okay, hier ist auch Hochsaison, das Zimmer kostet 900 Rs, hat einen sehr geräumigen Schrank (endlich mal), eine Küche, ein großes Bad und eine Veranda vor der Tür. Gebongt!Mein Nachbar, der die gleiche Veranda benutzt, heißt Alex und stammt aus der Ukraine, in die er nicht mehr zurück will. Alex hatte eine Firma in der Ukraine, die sich mit Umwelttechnik befasste. Er hat schon mehrere Erfindungen gemacht, die er aber nicht der ukrainischen Mafia überlassen will. Einige Entwürfe zeigt er mir auf seinem Laptop, darunter ein Kühlungssystem, effektiv und energiesparend oder eine kleine Windkraftanlage, kaum einen Meter hoch, arbeitet bei geringsten Windstärken und ist völlig geräuschlos. Am liebsten würde Alex in Indien bleiben und hier sein Geschäft aufbauen, aber die Jungs hier lassen sich nicht so leicht von seinen Ideen überzeugen und nutzen lieber das, was sie kennen. Mit Alex trainiere ich morgens am Strand und bringe ihm etwas Stockkampf bei – Juhu, ein Schüler!

Mein Tagesrhythmus sieht ungefähr so aus:

  • Aufstehen zwischen sieben und acht
  • Wasser trinken
  • Stocktraining
  • Wasser trinken
  • Schwimmen
  • Wasser trinken
  • Spaziergang in der Morgensonne zwecks Hautbräune
  • Wasser trinken
  • Duschen
  • Frühstück
  • Wasser trinken
  • Rumhängen, Leute kennenlernen und quatschen
  • Irgendwann was kleines essen – Bananen, Orangen, Ananas…
  • Wasser trinken
  • Kleine Touren, Shopping, Fotoshooting
  • Schwimmen
  • Wasser trinken
  • Abendessen und anschließend im Spoonbill, meiner Lieblingskneipe rumhängen – dort gibt’s geile TeesWasser trinken
  • Zwischen elf und zwölf Matratzen horchen

Unerwartetes Wiedersehen

Manchmal geht es nur um Augenblicke, ob du jemanden triffst oder verpasst.Eigentlich möchte ich mal wieder etwas günstiges bzw. etwas anderes frühstücken als die letzten Tage und kann mich nicht so recht entscheiden wohin. Oder erst noch ein bisschen am Strand entlang? Dann siegt der deutsche Gaumen, möchte den guten Cream Cheese. Und das Verdauungssystem schreit nach dem herrlichen Brown Bread. Ja gut, der Kreislauf will auch noch was, schwarzen Tee. Okay, was willst da machen, ich geb mich geschlagen und schlendere wie üblich zur German Bakery, gehe die Treppe hoch und suche einen Platz – ich stocke. Da sitzt ein Typ und glotzt mich genauso ungläubig an wie ich ihn!’Ne, das is jetzt nicht wahr, oder? Scheiße Mann, was machst DU denn hier?’Wir nehmen uns in die Arme, sechs Jahre ist das her. Banyolés, im Arlequi, 2008! Gareo, der verrückte Vogel! Sofort ist die Verbindung wieder da und wir tauschen unsere Geschichten aus… Wir verbringen zwei Tage zusammen, dann geht es für mich zu meiner nächsten Station. Goa. Abschied von ein paar Leuten: Gita, meine Henna Tattoo Queen; Alex aus der Ukraine, mein Nachbar links; Maya aus Zürich, meine Nachbarin rechts; Marianna aus der Slowakei, Schülerin von Gareo und natürlich von Gareo, meinem Überraschungsbesuch vom Bodensee. Goa wartet – in verschiedener Hinsicht. Zu Neujahr gab es viele Antworten auf meine Grüße an Leute, die ich während meines Trips getroffen habe. Nun sind einige von ihnen in Goa und möchten, dass ich sie besuche. Tanya, die Künstlerin aus Sibirien, die eine Exhibition in Arambol hat; Conny und Lothar, die in Vagator hausen und später nach Palolem fahren; Barbara, Declaan und Anna aus Madikeri, die Mitte Januar nach Palolem kommen und dann noch Steffen, mein Schoko-Schamane, den ich in den ersten Wochen in Bodh Gaya getroffen habe, ebenfalls Palolem. Tja, und eine sehr gute Bekanntschaft aus Berlin, die damals mein erster Kontakt in Varkala war (einen Steinwurf von Kovalam entfernt) und mich zum nächsten Ort schickte (sehr wichtig, aber eine sehr lange Geschichte…) schreibt mir gerade, dass ich unbedingt einen Inder in Arambol treffen muss, zu Sicherheit hat sie uns gleich mal in Facebook verbunden! Gründe genug? Yes, I’m coming!!!

 

 

Kanyakumari 29.12.2013 – 30.12.2013

Um 6.30 Uhr stehe ich im Morgennebel an der Straße und warte auf meine Rickshaw. Obwohl es sehr früh ist kommen Barbara und Chaya zum Verabschieden aus dem Haus. Wieder geht es nach Bengaluru zum Umsteigen, was bedeutet, dass ich erst einmal eine Strecke zurückfahre. Leider gab es keine Züge mehr von Mangalore nach Trivandrum, weil zur Zeit viele indische Urlauber und Pilger unterwegs sind. Mein Volvo-Bus nach Bengaluru ist sehr bequem, die Fahrt ruhig und angenehm. Fünf Stunden später sind wir da und ich verbringe die Wartezeit bis zur Abfahrt meines Nachtbusses in einem Hotelrestaurant, esse eine Kleinigkeit und nutze das dortige WiFi. Der Schlafplatz im Nachtbus ist nicht so angenehm wie ich mir erhofft hatte, man liegt zwar ganz gut, aber es ist eng weil ich mir meine Kabine mit einem schnarchenden Inder teilen muss. Eigentlich wollte ich einen Einzelplatz, aber da ist was schief gelaufen. Zum Glück steigt mein Bettgenosse morgens um zwei Uhr aus, so dass ich für den Rest der Nacht dann doch noch einigermaßen gut schlafen kann. Gegen sieben wache ich auf und schaue aus dem Fenster, wo sich mir eine atemberaubende Landschaft zeigt. Hinter Palmenhainen und Reisfeldern ergeben sich mächtige Felsen und weiche Hügel, malerisch angestrahlt von der aufgehenden Sonne! Yeah!

In Kanyakumari trifft mich erst einmal der Schock! Die Stadt ist so voll. dass ich nur noch braune Leiber sehe. Tausende Pilger sind hier eingetroffen, um über den Jahreswechsel den Kumari-Amman-Tempel zu besuchen. Hinzu kommen die vielen Inder, die hier Neujahr feiern wollen. Zwei Stunden fährt mich mein Rickshaw-Wallah durch Kanyakumari, bis ich eine bezahlbare Unterkunft direkt neben dem Tempel bekomme. Einige der Angebote waren echt unverschämt, so z.B. ein Raum an der Hauptstraße mit einem Schaufenster und Schiebetür, innen war nichts außer einer schmuddeligen Matratze und das für 3 000 Rupien pro Nacht!
Ich beziehe mein Zimmer, das mich hier 1 000 Rupien kostet, nehme eine Dusche und erkunde dann Kanyakumari. Ich klappere alle wichtigen Plätze ab. Die Badeghats gleich hinter dem Tempel – absolut der südlichste Punkt der indischen Festlandes – von wo man einen guten Blick auf die Felsen in Meer hat, auf denen das Vivekananda-Memorial und die Thiruvalluvar-Statue steht. Vivekananda war ein indischer Wandermönch in 19. Jhd., der den Hinduismus mit sozialer Gerechtigkeit in seinen Lehren verband. Thiruvalluvar war ein tamilischer Dichter, der ein das berühmte Lehrgedicht „Thirukural“ verfasste, ein Werk mit 133 Kapiteln, weshalb die Statue, die auch Koloss von Indien genannt0 wird, genau 133 Fuß hoch ist. Ebenfalls am Strand in der Nähe des Tempels ist ein Park und ein Denkmal für die Tsunami-Opfer von 2004.
Das weitaus interessanteste Gebäude ist das Gandhi-Memorial, das aussieht als hätten es Architekten von Walt Disney geplant. In essence Tat waren es jedoch christliche, hinduistische und moslemische Architekten, die hier Gandhi Ehre zollten, der immer noch wie ein Heiliger verehrt wird. Inmitten der Memorials steht ein schwarzer Block, wo seine Asche aufbewahrt wurde, bevor sie ins Meer gestreut wurde. Den Tempel der jungfräulichen Göttin Kumari besuche ich auch. Manor dürfen diesen der Weiblichkeit gewidmeten Tempel nur mit entblößter Brust betreten. Im Inneren es Tempels darf man vulvaförmige Kerzen opfern, was ich dann auch tue. Ich kaufe eine ganze Schale voll und denke bei jeder Kerze an bestimmte Leute – Gutes Neues Jahr!

Am Abend entscheide ich mich, den Ort am nächsten morgen zu verlassen und für Silvester nach Kovalam zu fahren. Den Sonnenuntergang schaue ich mir vom Gandhi-Memorial aus an, das im weichen Abendlicht irgendwie futuristisch wirkt, es könnte glatt eine Zweigstelle von Jar Jar Binks aus Star Wars sein. Drei nette junge Inder quatschen mich an – immerhin falle ich hier auf, ich scheine hier der einzige Nichtinder zu sein. Wir diskutieren heftig über die Vor- und Nachteile der indischen und westlichen Gesellschaft, aber wir lachen auch viel zusammen. Ein Abschiedsfoto mit Viney, Sachin und Ravi Shankar (!) muss natürlich auch noch sein.