Madikeri 19.12.2013 – 28.12.2013

Von Puri nach Madikeri

Mein letzter Tag im Rangers Resort beginnt um 6 Uhr morgens. Ildiki geht mit mir nochmal an den Strand zum Schwimmen, Lali begleitet uns. Wir gehen den üblichen Weg und orientieren uns zuerst an Marinas Markierungen, bis wir an die Stelle kommen, an der wir vor zwei Tagen so unschlüssig waren. Diesmal nehmen wir den Pfad rechts, obwohl er nicht so vielversprechend aussieht, schmaler und auf den ersten Blick mehr Zerstörung durch Phailin. Wir müssen einige Male den Weg, den man nur noch an den von Fahrrädern gezogenen Reifenspuren erkennt, verlassen. Riesige abgebrochene Äste und umgeknickte Bäume versperren den Pfad, ein paar mal müssen wir klettern oder kriechen, doch dann werden wir belohnt. Ich entdecke den entwurzelten Baum mit den wuchtigen Wurzeln wieder, den ich bei der ersten Rückkehr vom Strand fotografierte. Kurze Zeit später sind wir am Ziel, insgesamt haben wir nur 40 Minuten gebraucht. Jetzt muss Ildiki die Strecke in den nächsten Tagen mit Marina nochmals gehen, um ihn zu markieren. Die letzten Meter aus dem Wald geht’s leicht bergauf, bevor man an den zunächst steil abfallenden Strand kommt. Lali stürzt plötzlich laut bellend in Richtung Ufer, an dem ich im Abstand von jeweils 50 Metern drei tote Riesenschildkröten entdecke. Wie wild stürmt sie auf die links liegende zu, auf der eine Schar Krähen sich gütlich tun. Lali ist fast an der Schildkröte, als sich auf einmal hinter ihr ein riesiger Schatten löst – ein Wolf! Ein Wolf? Ja tatsächlich, ein Wolf und Lali stellt ihn, worauf er in den Wald flüchtet, als wäre der Teufel hinter ihm her! Während wir am Strand liegen oder uns im Wasser abkühlen, versucht der Wolf mehrmals von verschiedenen Stellen an eine der toten Olive-Bastardschildkröten zu kommen. Doch jedesmal vertreibt ihn die tapfere Lali und er trollt sich zurück in den Dschungel! Leider bin ich jedesmal zu langsam mit der Kamera und bekomme den Wolf nicht so richtig abgelichtet. Kurz bevor wir gehen, sehen wir von weitem noch einen Schakal, auch dieser wird verjagt! Wow, was für ein Abschied!
Als wir zurückkommen ist mein Mittagessen schon fertig, mein Taxi auf 14 Uhr bestellt. Fertig packen. duschen, futtern. Abschlussfotos. Sebastian schenkt mir zum Schluss noch eine kurze Show mit seinem Keulen. Dann heißt es Abschied nehmen, wie so oft und es fällt mir diesmal nicht ganz leicht. Ähnlich wie in Pushkar habe ich in Puri und vor allem hier bei den Rangers eine wundervolle, unvergessliche Zeit verbracht…
Munna, mein Lieblingsdriver, ist pünktlich da um mich zum Flughafen nach Bubaneshwar zu bringen. Lange winke ich Ildiki und Marina aus dem fahrenden Taxi zu, Bye bye!

Flugzeug, Taxi, Bus

Unangenehme Überraschung am Flughafen – mein Flug hat ungefähr eine dreiviertel Stunde Verspätung. Jetzt wird es knapp mit dem Nachtbus von Bengaluru nach Madikeri! Letztendlich werden es dann 70 Minuten Verspätung und bei der Zwischenlandung in Hyderabad gibt sich die Crew alle Mühe, aber mehr als eine viertel Stunde können sie nicht aufholen. Kurz nach der Landung in Bengaluru ruft mich der Busfahrer an (bei der Buchung in Puri hatte ich meine Telefonnummer angegeben), der Bus geht um 23.55 Uhr und er könnte 10 Minuten warten. Um 0.10 Uhr ruft er nochmal an, er muss jetzt los. die Fahrgäste murren sonst. Mein Fahrer, der mich von dem 60 km von der City entfernten Flughafen zum Zusteigeort bringt, gibt sich alle Mühe, aber wir kommen 15 Minuten zu spät! Am Satellite Bus Terminal stehen noch viele Busse, doch kein Volvo mehr von der Red Line. Übernachten in Bengaluru? Keine Lust! Mein Taxifahrer geht auf die Suche und wird fündig – ein Local Bus, nur Sitzplätze, fährt aber gleich los und ist nur eine halbe Stunde später als mein gebuchter Volvo in Madikeri. Okay, was soll’s, ich werde die Nacht schon irgendwie auch sitzend hinter mich bringen! Die Sitzbank hinter dem Fahrer ist frei und wird von mir einfach in Beschlag genommen, ich lege mich gleich längs und niemand wagt es mich zu wecken. Gerädert, übermüdet und mit Rückenschmerzen komme ich um 7.00 Uhr morgens in Madikeri an, der Hals kratzt auch noch. Zunächst schaue ich mich nach einem Teestand um und rufe dann im Shangri-La an. Ich warte dann in der Kälte des Mordgens, bis mich Lothar abholen kommt.

Shangri-La

Das Shangri-La liegt 18 km außerhalb von Madikeri ganz ruhig in den kühlen Hügeln, umgeben von Kaffeeplantagen, wilden Orchideen, Palmen und anderem exotischen Gewächs. Schön! Barbara war früher mit einem Inder verheiratet, der eine Zeit lang das indische Cricket-Team betreut hatte. Über ihn lernte sie dann die indische Familie kennen, auf deren Grundstück das Haus steht, das Barbara hat bauen lassen. Ihr Mann ist schon vor längerer Zeit gestorben und sie lebt nun mit Declaan, einem älteren, schrulligen und verrückten Iren zusammen. Das Haus hat eine große Wohnküche, ein zum Innenhof offenes Wohnzimmer und einen Schlafraum. Auf beiden Seiten des Innenhofes sind jeweils zwei Gästezimmer mit Bad, eines davon bewohnt die indische Familie. Sie besteht aus Laxman, Kaffee-, Pfeffer- und Fischverkäufer, Chaya, der wundervollen Köchin und Belakhur, der achtjährigen Tochter, die mich häufig in Beschlag nimmt. Gleich am ersten Abend musste ich mit ihr Carrom spielen – und sie hat mich abgezockt!
Nach einer kleinen Einkaufstour für unsere Mahlzeiten in den nächsten Tagen lege ich mich hin, um etwas Schlaf nachzuholen. Mit Kopfschmerzen und leicht fiebrig wache ich auf. Nach dem Abendessen gehe ich sofort wieder ins Bett und verbringe eine unruhige Nacht mit viel Husterei.

Madikeri

Madikeri liegt ungefähr 1500 Meter hoch und das Shangri-La etwa 300 Meter tiefer in einem Tal nordwestlich von Mercara, so der alte Name der Stadt. Trotz der vielen Kaffeeplantagen gibt es hier einen sehr dichten Dschungel mit dramatisch steilen Hängen. Überall plätschern Wildbäche gen Tal und bilden immer wieder wundervolle versteckte Badebecken, romantisch und verträumt! So gut es geht genieße ich hier auf unseren Spaziergängen die Ruhe und die saubere, klare Luft. In den Plantagen und Reisfeldern sieht man allzeit fleißige Arbeiterinnen und Arbeiter, die uns fröhlich zuwinken. Sie bekommen nicht so oft Touristen zu Gesicht, aber fast alle können ein paar Brocken Englisch und versuchen sich mit uns zu unterhalten. Ansonsten sitze ich in dem liebevoll angelegten Garten und spiele mit Conny und Lothar Würfelspiele oder Canasta. Mein Husten ist inzwischen so schlimm, dass ich in der Nacht überhaupt nicht mehr schlafen kann, weshalb ich am nächsten Tag in das Privatkrankenhaus von Madikeri gehe. Kaum klage ich an der Rezeption mein Leid, bin ich auch schon im nächsten Behandlungszimmer, wo mich ein junger Arzt empfängt. Er hört mich hier und da ab und verschreibt mir eine ganze Latte von Medikamenten. Der Arzt möchte wissen, wo ich herkomme und was ich von Beruf bin. Als er hört, dass ich Deutscher bin, ruft er eine Arzthelferin und fordert sie auf, mit mir deutsch zu sprechen, jedoch ziert sie sich und der Arzt macht schnell einen Witz um die Situation zu retten.  Dann gibt mir eine andere Schwester mein Rezept, welches ich an der Medikamentenausgabe anschließend selber hole und dann an der Kasse bezahle. Der ganze Akt dauert nicht länger als zehn Minuten und die längste Zeit geht dabei für das Herumalbern mit dem Arzt und den Schwestern drauf.

Golden Temple in Bylakuppe

Für einen kleinen Ausflug fit genug, besuche ich mit Lothar und Conny das tibetische Namdroling-Kloster 40 km südöstlich von Madikeri. Hier war 1959 während der chinesischen Invasion einer der ersten Standorte für tibetische Flüchtlinge in Indien. Tausende Tibeter wurden aufgenommen und inzwischen ist hier (nach Dharamsala) die größte tibetische Gemeinde außerhalb von Tibet. In dem eindrucksvollen Tempel stehen drei wunderschöne goldene Buddha-Statuen, verziert mit prächtigen, farbigen Details.  Es ist sehr friedlich und stimmungsvoll, einige Mönche und Novizen bringen auf den Altären weiße Schals dar. Einer der Mönche gesellt sich zu mir und versucht mir etwas über die drei Statuen zu erklären, aber leider verwendet er viele mir unbekannte Begriffe und sein Englisch ist für mich sehr schwer zu verstehen. Zum Schluss lässt er sich von Lothar mit mir fotografieren. In einem der Gebetshäuser stimmen Mönche ihre Mantras an, begleitet von rhythmischen Trommeln.

(????Temple Bylakuppe4)

Das Eingangstor steht zwar offen, aber ein Schild am Absperrband erlaubt den Zutritt nur für Mönche. Kurz bevor wir gehen wollen, hören wir in einem anderen Bereich Mönche singen und diesmal ist es Besuchern erlaubt, der Zeremonie beizuwohnen. Anfangs stehen so viele Inder am Eingang, dass man kaum etwas zu sehen bekommt. Conny und ich zwängen uns durch und setzen uns nahe bei den Mönchen im Schneidersitz auf den Boden. Dann wird es leer und nur noch Lothar steht am Eingang, der wegen seiner Rückenproblemen sich nicht setzen kann, es beschränkt sich aufs Fotografieren. Andächtig lauschen wir gute zwanzig Minuten auf die Gebete und Gesänge der Novizen und Mönche. (Temple Bylakuppe1, Temple Bylakuppe2, Temple Bylakuppe3) Es tut sehr gut diese Atmosphäre aufzusaugen, auch wenn man nicht ganz versteht, was gesungen und gebetet wird. Rundum zufrieden und mit einem Lächeln im Gesicht treten wir die Heimfahrt an.

Die Abende

Sobald es dunkel wird finden wir uns in der Küche ein und kochen gemeinsam, meistens schnipple ich das Gemüse und überlasse ausnahmsweise den Anderen den Platz an den Töpfen. Izwischen ist weiterer Besuch eingetroffen, Anna aus Dänemark, die auch sehr geren koch. Es gibt oft Fisch mit Reis oder Kartoffeln. einmal Spagetti mit einer herrlichen Tomaten-Gemüse-Soße. Ein Highlight ist Chayas Palak Paneer – göttlich! Am Weihnachtabend wird das Wohnzimmer festlich geschmückt und die Familie sitzt an diesem Abend mit am Tisch. Laxman lobt mein Raita, das ich vorbereitet habe. Außerdem gibt es noch gebratenen Kingfish, Prawns, Kartoffeln in der Schale und Tomatensalat mit frischem Koriander! Lecker, lecker, lecker!
Nach dem Essen wird gespielt oder wir sitzen gemeinsam im Garten beim Lagerfeuer und bestaunen den klaren Sternenhimmel. Das Leben ist schön!

Declaan

Mit Declaan liefere ich mir heiße Wortgefechte über Demokratie, Europa, Merkel (er „liebt“ sie!) und andere brisante Themen. Barbara hat dazu keine Lust und Conny und Lothar sprechen kaum Englisch. Mich nennt er immer Maharaja und provoziert mich wegen meines „Reichtums“ wo es nur geht (zum Spaß) und verlangt, dass mir Barbara den doppelten Preis für das Zimmer berechnet, die reichen Deutschen könnten sich das leisten. Mit der Zeit macht es richtig Spaß mit ihm auf Englisch zu palavern, obwohl er oft sehr schräge Meinungen vertritt. Ich erinnere mich an einen Abend, an dem wir über Einstein, Quantentheorie und Parallelwelten diskutieren.

Auf einem unserer Spaziergänge, wo es über mehrere äußerst schmale Brücken geht – oft nur ein Balken mit einem Draht auf Brusthöhe zum Festhalten – lerne ich ihn von seiner weichen Seite kennen. er zeigt mir seltene Pflanzen, überraschende Aussichten, erzählt was er an den Indern hier in der Gegend liebt und schenkt jedem Kind, das wir unterwegs treffen, einen Lollipop, von denen er immer einen großen Vorrat mit sich schleppt. Declaan freut sich aufrichtig wie ein kleines Kind an den Schönheiten der Natur und wirkt dann überhaupt nicht mehr wie ein Siebzigjähriger. Ich schätze das sehr, wie er das mit mir teilt und mir gewissermaßen die Augen noch mehr öffnet.

Abschiede und Wiedersehen?

Conny und Lothar reisen am zweiten Weihnachtsfeiertag ab um nach Hampi und anschließend nach Goa zu fahren. Eventuell wird man sich dort wieder treffen. Auch Anna, Barbara und Declaan werden ab Mitte Januar dort sein, mal sehen…