Pushkar 28.10.2013 – 6.11.2013

Hundsmäßige Ankunft

Um 5.00 nachmittags startet mein Nachtbus nach Pushkar, rechts und links vom Mittelgang sind auf Kopfhöhe die Schlafkojen, die eigentlich aussehen wie Glassärge. Eine kleine Leiter hoch, Fenster aufschieben, Vorgang zuziehen, Schlafsack auslegen, Kopfkissen plazieren – fertig ist die Ruhestätte. Die erste Hälfte der Fahrt ist angenehm, ich lese oder schreibe, ab und zu döse ich vor mich hin, schlafe oder schauen aus dem Fenster, so lange dauert noch hell ist. Gegen Mitternacht halten wir in Nagaur zur Nahrungsaufnahme. Wir stehen aus und vertreten uns etwas die Füße, während ein blinkendes und glitzerndes Tuk Tuk gegenüber anhält. Ich zücke meine Kamera und schieße ein paar Bilder, als er Fahrer mich energisch zu sich winkt ‚Come! Look inside!‘ Ich denke ich stand eine Weile mit offenem Mund da, denn was da zu sehen ist, ist mir bisher noch nicht untergekommen. Mitten in der Rückwand der Fahrerbank prunkt ein Fernseher! Ein älterer Mann zupft mich am Ärmel, setzt sich auf die Rückbank und grinst breit. Er möchte fotografiert werden und ich tue ihm den Gefallen! An einem Teestand sitzen ein paar Jungs auf einer Holzbank und beobachten mich. Sie rufen mich zu sich und ich frage sie, was sie so spät in Nacht hier treiben. Am Teastall ist sozusagen der Dorfmittelpunkt und sie haben nichts besseres zu tun. Wir tauschen unsere Namen aus und dann möchte ich wissen, welchen Berufen sie nachgehen. Sie sind Mechaniker, Schneider, Milchmann, Farmer und ich stelle mich als Schauspieler vor. In dem Moment kommen zwei Polizisten ganz gemächlich vorbei geradelt. Irgendwie sieht das lustig aus und ich stelle mir vor, wie die beiden versuchen die Jungs auf ihren Bikes zu verfolgen, sollten sie etwas ausgefressen haben. Spontan spiele ich ihnen die Szene vor und wir schütteln uns alle vor Lachen – zum Glück sind die beiden Polizisten weit genug entfernt. Der Bus hupt, die Fahrt geht weiter. Ein nettes Intermezzo mitten in der Nacht! Leider ist der zweite Abschnitt der Strecke sehr holprig und wir werden so stark durchgeschüttelt, dass an schlafen nicht zu denken ist. Wir erreichen Pushkar um drei Uhr morgens anstatt um sechs Uhr, wie angekündigt. Das Hotel Everest ist laut Busfahrer ganz in der Nähe. An den Mauern und Hauswänden sind Namen mit Pfeilen, die zum jeweiligen Hotel führen. Es geht eine kleine Anhöhe hinauf (Everest!), die Gassen werden immer schmaler und irgendwann sehe ich keine Pfeile mehr. Außerdem ist es fast stockdunkel und ich verliere etwas die Orientierung. Mehr und mehr Hunde werden auf mich aufmerksam und bellen mich an. Dann stoße ich auf eine Bäckerei, in der schon fest gearbeitet wird. Es ist nicht mehr weit, aber einige Hunde kommen mir jetzt sehr nahe und das Bellen und Geknurre wird aggressiver. Mir ist es zum ersten Mal richtig mulmig zumute. Ein Pfeil an einer Wand zeigt nach rechts in eine sehr schmale Gasse, ich hole mein Mobilefone aus der Tasche und wähle die Nummer unter der ich gebucht habe. Ein paar Meter vor mir höre ich es klingeln, der Nachtwärter geht sofort ran. Die Hunde sind nur noch ein paar Meter entfernt und einer beginnt mit heftigem Knurren auf mich zu zustürmen. In dem Moment öffnet sich die Tür, ich schlüpfe rein und bin echt erleichtert von der Straße weg zu sein! Im Erdgeschoss gibt es so eine Art „Notzimmer“, in dem ich den Rest der Nacht verbringen kann. Einen persönlichen Aufpasser habe ich auch – am Fußende regt sich ein großer schwarzer Schatten – Lion, der Haushund!

Pushkar – Holy City, Holy Lake

In Pushkar fühle ich mich sofort wohl. Am ersten Morgen sitze hier zum Frühstück auf der Dachterrasse des Everests und betrachte die umliegenden Hügel. Auf zwei näher gelegenen gibt es interessante kleine Tempel, die es anscheinend wert sind, besucht zu werden. Zum westlich gelegenen führen 600 Stufen hinauf. Mal sehen, steht jedoch noch nicht auf dem Programm. Während er Frühstücks klingelt das Telefon, Viney aus Jaipur meldet sich und hofft, dass ich ihn noch einmal besuche, von hier wäre es auch nicht mehr weit nach Jaipur.
Am Nachmittag geht es zur ersten Erkundung des Ortes. Gleich um die Ecke ist ein kleiner Shop und die Besitzerin, Lalita, winkt und grüßt mich freundlich. Dort kaufe ich jetzt täglich mein Wasser und meine Kekse.
An der Hauptstraße gibt es viele interessante und schöne Läden. Mir fällt sofort positiv auf, dass die Leute – außer am Falafelstand – einen in Ruhe lassen. Eventuell wird man jeden zehnten Shop angesprochen, aber sehr zurückhaltend und nur einmal. Kein Hinterherrufen, keine Aufdringlichkeiten, keine dummen Sprüche, herrlich entspannend! Der Marktplatz mit Teestand wird ab jetzt mein Stammplatz, um Tee zu trinken, Leute zu treffen und Tips auszutauschen oder einfach das Geschehen zu beobachten. Ich glaube ich habe mich gleich am ersten Tag in Pushkar verliebt, der Ort tut mir so gut!

Nagara, Nagari

Am späten Nachmittag gehe runter zum heiligen See, an dem sowohl Pilger als auch Einheimische ihre täglichen Rituale durchführen. Keine große Massen tummeln sich dort, die Gläubigen sind auf die vielen Ghats am See verteilt, der rechteckig angelegt ist. Die Sonne steht schon tief und von der gegenüberliegenden Seite höre ich Trommeln. Ich bin neugierig und komme näher. Vom See kommend gehe ich die Stufen am Mukti Ghat hoch, wo auf einer Steinplattform ein Inder mit ein paar Westlern trommelt. Jeder hat zwei Stöcke in der Hand, mit der zwei unterschiedlich große Trommeln bearbeitet werden, wobei mich die Haltung des Stockes in der linken Hand irritiert. Die Spieler schlagen aus dem Handgelenk mit der Rückhand auf die Trommel, was ich bisher noch nicht gesehen habe. Neugierig setze ich mich auf die niedrige Mauer, die den fast quadratischen Platz umgibt und höre zu bis das Stück zu Ende gespielt ist. Es ist augenscheinlich, dass hier ein Lehrer mit seinen Schülern trommelt. Es gibt eine kurze Pause, während das Pärchen aufsteht und sich an den Rand setzt. Ein junger Mann – Domino, den ich in den nächsten Tagen näher kennenlerne werde und der eigentlich Dominique heißt – setzt sich an die Trommeln und der Lehrer winkt mich zu sich ‚Come sit down and play with us!‘ und ich versuche es einfach. Sofort habe ich ein super Gefühl mit den Stöcken in der Hand, Stöcke, Stöcke, Stöcke! Wir spielen einen einfachen Rhythmus und zunächst kann ich ganz gut mithalten, obwohl ich mit der Stockhaltung links Probleme habe. Es fühlt sich einfach falsch an (meine StockkämpferInnen wissen warum. Ähm, ihr wisst doch warum, oder?) und ich konzentriere mich hauptsächlich auf die rechte Seite (Drumm Session on Holy Lake, Pushkar).

Um sechs Uhr müssen wir aufhören, die allabendliche Puja beginnt und wir hören von den kleinen Tempeln nebenan, wie die Priester ihre Mantren singen (Pushkar Monks). Die Trommeln werden eingepackt und der Lehrer lädt mich für morgen Abend wieder ein.
Pünktlich um 5.00 pm bin ich am Ghat und Narendra Solanki ist mit seinen Schülern da, die Trommeln stehen bereit. Das französische Pärchen und Domino aus Baden-Baden sind auch wieder da. Nahendra erklärt mir die Stockhaltung sowie die Sitzposition im Verhältnis zu den Trommeln. Wir beginnen wieder mit sehr einfachen Rhythmen, steigern jedoch stetig das Tempo und mir gelingt es meistens mitzuhalten. Eine Trommel ist noch frei und Lia, eine Israeli setzt sich dazu. Nach dem Trommeln erzählt uns Nahendra, dass morgen sein Vater von einer Konzertreise aus London zurückkommt und abends am See spielen wird. Wir sprechen anschließend über den Savitri-Tempel, den ich schon vom Hotel Everest aus gesehen habe. Es stellt sich heraus, dass eigentlich alle den Plan haben, den Hügel sehr früh zu besteigen, um von dort den Sonnenaufgang zu beobachten – geschafft hat es bisher noch niemand! Ich schlage vor, dass wir morgen früh zusammen gehen können. Wir tauschen unsere Mobilnummern aus, um uns im Notfall gegenseitig zu wecken und verabreden uns für 5.00 Uhr am Brahma Tempel! Toller Plan, ich freue mich drauf!

Der Savitri-Tempel

Pünktlich am Brahma-Tempel angekommen, treffe ich auf eine größere Gruppe. Außer dem französischen Pärchen und Lia ist noch Francesco aus Italien sowie Sevan und Shenai aus Israel dazu gestoßen. Gemeinsam geht es im Dunkeln in Richtung Savitri-Tempel, alles ist noch still und friedlich, vereinzelt hören wir Vogelgezwitscher und hier und da Grillen, von irgendwo her schwappt Tempelmusik zu uns herüber – eine schöne Stimmung. Nach zehn Minuten kommen wir am Fuß des Hügels an, wo die Steinstufen beginnen. Zu Beginn sind die Stufen niedrig, eben und regelmäßig, wie es sich für eine gute Treppe gehört, aber je höher wir kommen, desto mehr sind die Stufen verschieden hoch und lang, gegen Ende liegen zwischendurch einfach nur noch große, quaderförmige Steinbrocken vor uns. Der Atem geht immer schneller, die Schritte werden schwerer, aber nach einer halben Stunde Aufstieg und 608 erklommenen Stufen sind wir am Ziel. Die Dämmerung erhellt die umliegenden Hügel, unter uns liegt das erwachende Pushkar. Wir treffen auf der Plattform vor dem Tempeleingang auf andere Frühaufsteher, ein Priester serviert uns heißen Masala-Tea. Etwas nördlich vom Hügel entdecken wir die Ebene, wo in zwei Wochen der größte Kamelmarkt der Welt stattfinden wird, vereinzelt sind schon ein paar Camps aufgebaut. Und dann kommt endlich die Sonne! Jai Ho! Die Kameras klicken um die Wette und ringsum beginnt es zu wuseln – hunderte von Streifenhörnchen erwachen! Auch die ersten Affen lassen sich sehen, wohl in der Hoffnung, dass wenigstens der eine oder andere Tourist etwas essbares dabei hat. Ich fühle mich total gut da oben, der Tag erwacht, die Some steigt langsam höher, das Leben nimmt seinen Lauf und ich bin ein Teil davon. Die Zeit scheint zu kriechen und ich beobachte die Sonne, die Affen, die Streifenhörnchen und die kommenden und gehenden Pilgergruppen. Ich sauge jeden Moment auf wie bisher noch nirgends auf dieser Reise, Pushkar war genau richtig!
Nach zwei Stunden besteht unsere Gruppe nur noch aus Savan, Lia und mir. Wir haben noch keine Lust zu gehen, in den Rucksäcken sind genügend Wasserflaschen und Kekse, um bis zum Mittag zu überleben. Eine große Gruppe junger Männer mit Turbanen kommt zu uns herüber, Lia schreibt gerade in ihr Tagebuch und neugierig beugen sie sich über ihr Heft. Hebräische Schrift haben sie wohl noch nicht gesehen und wollen, dass Lia ein paar Wörter für sie in Hebrew schreibt. Anschließend schreibt der Wortführer der Gruppe einige Sätze in Sanskrit und erzählt uns, dass sie Sikhs aus Amritsar sind. Wir haben noch eine Weile eine lustige Konversation, bevor sie gehen und die nächste Gruppe eintrifft, ein Inder mit lauter älteren Frauen, so schätzungsweise um die Sechzig, Siebzig. Nach dem Tempelbesuch sitzen sie auf der Terrasse und beginnen sich zu schminken. Sie winken uns herbei, lachen und bedeuten den beiden Mädels sich zu ihnen zu setzen. Lia und Savan bekommen einen dicken schwarzen Lidstrich sowie ein Tikala auf die Stirn. Alle sind in lustiger, ausgelassener Stimmung und eine der älteren Frauen kommentiert das Bemalen mit einem herzhaften Lachen. Jetzt ist auch der Mann aus der Runde dran, obwohl ein Lidstrich für Männer normalerweise nicht vorgesehen ist. Auf jeden Fall nicht so dick und fett, wie es diese Frauen machen, aber er lässt es geduldig über sich ergehen, was bei uns allen Lachsalven auslöst. Die schwarze Farbe bringt die Augen von Savan und Lia ordentlich zum Tränen, weshalb ich eine Bemalung ablehne, lediglich das Tikala lasse ich zu. Bevor die Gruppe dann den Tempel verlässt, müssen natürlich Fotos geschossen werden, die Frauen können gar nicht genug bekommen. Beim anschließenden Betrachten der Bilder kichern sie am meisten als sie sehen wie „ihr Mann“ beim Schminken Grimassen zieht. Schon lange nicht mehr habe ich so fröhliche und ausgelassene „alte“ Menschen erlebt!
Wir winken der Gruppe eine Weile hinterher, während sie den Abstieg beginnen. Wir sind jetzt selbstverständlich in einer sehr guten Stimmung und würden am liebsten länger bleiben, aber unsere Mägen sind völlig anderer Meinung. Unser Abstieg dauert sehr lange, unzählige Affen kreuzen unseren Weg und wollen fotografiert werden. Wieder in Pushkar suchen wir ein israelisches Restaurant auf und geben dem Körper, was er verdient.

Abends treffen wir uns wieder am See, auch Domino ist dabei. Diesmal sitzt jemand anderes im Zentrum, Nathulal Solanki. Am Abend vorher habe ich einem sehr sehr guten Freund erzählt, wo ich gerade bin und was ich so mache. Sein Tip: den Tempel auf dem Hügel und Trommeln am See mit Nathulal, falls er in Pushkar weilt! Das kuriose daran: Günter, der schon seit ewigen Zeiten trommelt und Tabla spielt, hat vor ewigen Zeiten mit Solanki  zusammen auf einer Hochzeit in Pushkar performt. Natürlich soll ich Grüße ausrichten, was ich dann auch tue.

Nathulal winkt uns zu sich und ich bekomme den Platz zwischen ihm und Dominique, der seit einigen Tagen Unterricht im Trommeln nimmt. Händeschütteln mit Nathulal, Namaste, Namen, Heimatland usw. ‚Namaste, I’m Willy from Germany! And I have greetings for you from my friend Günter, you know him!‘
‚What? From whom?‘
‚Günter, he played with you at a wedding‘
‚Oh Günter! How that? Tell me after drumming!‘

Heute klappt es mit der linken Hand etwas besser und ich schiele ab und zu wie Domino das macht. Auf jeden Fall habe ich wieder Spaß an der Sache!
Anschließend gibt es natürlich eine Menge zu erzählen, außerdem beschließe ich, ab morgen früh Unterricht zu nehmen, gemeinsam mit Lia und Domino.

Nagara, Nagari und Lakshmi

Die große Trommel aus Holz, die rechts steht, ist die männliche, Nagara genannt, die kleine aus Metall auf der linken Seite heißt Nagari und ist die weibliche. Das ist eine der ersten Lektionen am Vormittag, daraufhin zeigt Nathulal die Haltung der Stöcke sowie die korrekte Sitzposition und die Ausrichtung der Trommeln.
Bevor wir unseren ersten Rhythmus spielen, müssen wir die Töne, die gespielt werden sollen, singen können – was man nicht singen kann (bezieht sich auch auf das Tempo), kann noch auch nicht korrekt spielen. Die Lektionen machen Spaß und Nathulal würzt das ganze mit kleinen Anekdoten oder erklärt uns die Herkunft der Rhythmen, die oft mit der Art zu tun haben, wie sich Tiere (Kamel, Elefant, Pfau, Pferd, Kuh usw.) bewegen. Am Ende des Unterrichts spendet man einen kleinen Betrag an den „Master“. Der Unterricht beginnt immer morgens um zehn und wir starten erst nach dem obligatorischen Tee! Nathulal besitzt an den Treppen zum Ghat einen kleinen Raum, aus dessen vergitterten Türen man hinaus, aber nicht hineinschauen kann. Das ist dann witzig, wenn die Leute draußen stehen bleiben, um uns zuzuhören, uns jedoch nicht sehen können. Anfangs schlafen mir die Beine während des Unterrichtes immer wieder ein, aber nach drei Tagen habe ich mich an das Spielen im Schneidersitz gewöhnt. Mir bereitet der Unterricht einen wahnsinnigen Spaß, ich mache schnell Fortschritte und stelle fest, dass ich mich nach dem Trommeln geerdet und beschwingt zugleich fühle. Ich habe mich verliebt und kann gar nicht anders, als bei Nathu einen Satz Trommeln zu bestellen!!

Jeden Abend trifft man sich dann am Holy Lake zum Trommeln und übt was man morgens gelernt hat. Es macht voll Laune, vor Zuschauern zu spielen, mit Blick auf den See und die „Titty Hills“!
Am dritten Unterrichtstag habe ich eine Überraschung für Nathual. Günter hat 20 Jahre alte Bilder mit den Solankis eingescannt und mir zugeschickt. Als ich sie ihn zeige, ist es so ergriffen, dass dies Tränen in den Augen hat.

Diwali steht an und das bedeutet für viele Inder Geld ausgeben und Geschenke kaufen. Je mehr Geld fließt, desto besser. Schließlich bringt das auch Glück. Auf der einen Seite geht Geld hinaus und auf der anderen kommt um so mehr herein, so hofft man hier. Es ist die Zeit der Göttin Lakshmi, Göttin des Wohlstandes und Glücks, die nun verehrt wird. Die Feierlichkeiten ziehen sich über Tage hin und werden von Tag zu Tag mehr von abendlichem Feuerwerk begleitet. Ich lasse mich von dem ganzen Rummel anstecken und gehe auf Shopping-Tour. Schmuck, Bettdecken, Wandbehänge, Kissenbezüge, Schmuck, CD’s (ne Menge), Räucherwerk, Decken, Schmuck, Lederwaren UND meine Nagara und meine Nagari! Nach ein paar Tagen bin ich um 25 kg reicher und um xxxxx, xx Rs ärmer! Herrlich! Auf der Post bin ich dabei, wenn alles verpackt, eingenäht und beschriftet wird. Versand door to door mit DHL, in drei Wochen sollen die Sachen zu Hause sein! Die Tage in Pushkar plätschern so dahin, ich verbringe viel Zeit mit Domino, Shenai, Savan und Lia.

An einem Abend sind wir zusammen im Hotel Koala, wo Lia und ihre Freunde wohnen. Ein bunter Abend mit Tanz und Musik ist angekündigt, außerdem ein Buffet für alle Hotelgäste und angemeldetet Besucher. Domino kommt auch mit mir mit und wir verbringen gemeinsam mit Lia einen sehr schönen Abend. Später kommt auch noch Shenai an unseren Platz (Tische gibt es keine, wir liegen wie die Römer mit weichen Kissen am Boden und schlemmen ebenso….). Die Tanzdarbietungen sind mitunter sehr spektakulär, die Tänzerinnen verbiegen sich und bewegen sich zu den Rhythmen der Trommeln als wären sie ein zusätzliches Instrument. Einer der Trommler spielt eine Nagara, es ist Nehendra Solanki. Kurz vor Mitternacht rückt Lia damit heraus, dass morgen ihr Geburtstag laut jüdischem Kalender ist. Domino schnappt sich eine Gitarre und gemeinsam mit Shenai bringen sie Lia ein Ständchen. Domino gibt auf der Gitarre sein Bestes und Shenai beglückt uns mit ihrer wunderschönen Stimme (Shennai & Domino at Koala Hotel, Pushkar). Neben dem Talent für Gesang ist sie begeisterte Ballettänzerin – gut zu wissen….

Einer der Höhepunkte ist die Einladung zu Diwali in Nathulas Haus, um mit ihm und seiner Familie das Diwali-Fest am Sonntag zu feiern, außerdem gibt es am gleichen Tag zwei Geburtstage zu feiern: Nathulas Neffe wird vier und Lia feiert ihren jüdischen Geburtstag!

Domino, Lia, Shenai und ich treffen uns am Sonntag Abend um sieben, um gemeinsam Nathulals Familie zu besuchen, die etwas außerhalb von Pushkar in Richtung Savitri-Tempel wohnt. Der Hauseingang, der Hof, Türen und Fenster sind alle bunt geschmückt, auf dem Boden im Innenhof sind mit Kreide gemalte Ornamente und überall sind Lichter. Wir werden in ein Zimmer geführt, in dem ein kleiner Schrein steht und viele Götterbilder an den Wänden hängen. In einer Ecke steht eine Nagara mit einer gelben Tikala am oberen Rand. Die Frauen bereiten in der Küche das Essen zu, Nathu erzählt uns Geschichten, spielt einige seiner Konzerte vor und posiert mit seinem Turban für Fotos (er liebt es, fotografiert zu werden!). Kurz vor dem Essen holen die Frauen Lia und verschwinden mit ihr. Als sie zurückkommt trägt sie einen Sari, ein Geburtstagsgeschenk der Familie. Von mir bekommt sie einen orangefarbenen Little-Flower-Schal und auch für Nathulal habe ich etwas dabei. Aus zuverlässigen Quellen weiß ich, dass er sehr gerne Whiskey trinkt, was aber niemand wissen darf oder sollte. Alkohol ist in Pushkar absolut verboten und ein Tabu-Thema. Trotzdem konnte ich eine Flasche besorgen (lassen). Die Jungs von meinem Lieblings-Internetcafé kenne ich inzwischen gut genug, um sie hier um Hilfe zu fragen. Vor kurzem haben sie mir meine neue erstandenen CD’s auf mein Smartphone übertragen und weil dies etwas Zeit in Anspruch nahm, schaute ich mit ihnen zusammen am Computer DAS legendäre Cricket Match zwischen Indien und Pakistan! Da ich null Ahnung habe, lasse ich mir die Regeln erklären. So ein Spiel läuft über Tage und ich schaute dann jeden Tag vorbei, um mich nach dem Stand zu erkundigen. Das hat ihnen wohl gefallen. Ich nehme also Sandeep (Name geändert…) beiseite und flüstere mein Anliegen in sein Ohr, worauf er erst leicht grinst, dann alle Minderjährigen aus seinem Shop schickt und mich genauer ausfragt – für wen, welche Menge, welche Qualität… Zwei Stunden später habe ich meine Flasche Whiskey, doppelt und dreifach verpackt. Sandeep hat sich sogar bei seinem Onkel erkundigt, welche Marke Solanki am liebsten trinkt. Er erzählt  mir das alles ganz verschwörerisch, während ein Bildnis Ganeshas an der Wand einfach dazu lächelt, holy sh..!

Puja und Shabat

Nathu fragt uns nach dem Trommeln, warum wir noch keine Puja-Zeremonie am See hatten und empfiehlt einen Priester, den er kennt und nicht auf Geld aus ist. Am Lake hat er viele „religiöse Männer“, die einen hinterher laufen und keine Ruhe geben, bis man Geld gibt. Daraufhin bekannt man dann den sogenannten „Pushkar-Passport“, ein farbiges Stoffbändchen am Arm, das weithin allen zeigt: „I had my Puja – no more money! „
Domino hat schon seinen Pass und so beschließen Lia und ich am Abend eine Zeremonie mitzumachen, eine kurze, kleine Einweisung in die Hintergründe ist inclusive.

Zu Beginn sagt man seinen vollen Namen und gibt Blumen ins Wasser. Der Priester spricht ein Mantra, das man wiederholt. Dann fragte er nach Eltern, Kindern, Geschwistern, Freunden und Verstorbenen. Jede Gruppe bekommt ihren Platz in der Puja mit immer den gleichen Ablauf. Namen laut aussprechen, Blumen in den heiligen See, Wasser mit der Hand schöpfen und wieder in den See laufen lassen, Mantra nachsprechen. Die einzelnen Schritte variieren etwas und der Priester erklärt zwischendurch geduldig. Ich bin sehr ergriffen von der Zeremonie und habe das Gefühl mit all den Leuten, für die ich diese Puja gemacht habe, verbunden zu sein. Nach einer halben Stunde ist die Puja zu Ende, wir geben dem Priester (freiwillig) etwas Geld und bekommen unseren Pushkar-Passport.

In Pushkar gibt es, wie so an vielen Orten in Indien, eine jüdische Gemeinde. Lia schlägt mir vor mit ihr gemeinsam zur Sabbat-Feier zu gehen, ein paar ihrer Freunde wollen auch hinzu kommen. Gut, warum nicht. Ich ziehe also mein einziges sauberes weißes Hemd an, packe meine Jeans aus, lege den blauen Little-Flower-Schal um, schlüpfe in meine neuen Sandalen und fertig bin ich für die Sabbath-Feier.
Die Feier beginnt damit, dass die Frauen an Leuchter für sich eine Kerze entzünden und damit ein Gebet verbinden, die Männer sind auf der anderen Seite und rezitieren laut oder leise, oft singend Verse aus der Thora oder Gebetsbüchern. Ich werde sehr freundlich empfangen, setze mir nach einer Weile eine Kopfbedeckung auf, bevor ich mich traue zu den Männern an den Tisch zu sitzen, die alle ernsthaft und inbrünstig beten, manche schaukelnderweise (Oneg Shabbat, Pushkar). Der ganze Ablauf wirkt auf mich befremdlich, da ich überhaupt nicht weiß, nach welchen Regeln man aufsteht, sich wieder setzt oder im Kreis läuft bzw. rhythmisch in die Hände klatscht. Immerhin verstehe ich ein paar Brocken. Shalom, Shabbat, Adonai und Amen!
Nach der Zeremonie wird man in den Garten geladen, wo für alle eine große Tafel gedeckt ist. Man beginnt mit einem Bissen ungesäuerten Brot und einen kleinen Schluck Rotwein. Anschließend genießen wir mehrere Gänge feinsten Essens! All free!

Abschied

Mich zieht es weiter, obwohl ich gerne bleiben würde. Ryan hat sich gemeldet, er und Sidd erwarten mich ungeduldig in Kolkata, von wo aus wir ins legendäre Puri wollen. Auch Shenai und Lia verlassen Pushkar, für sie geht es zurück nach Israel. Domino bleibt noch bis zum anstehenden weltgrößten Kamelmarkt, der Pushkar Mela, über 200 000 Kamele werden dann die Ebene um Pushkar füllen. Wir tauschen unsere E-Mail Adressen aus, goodbye und Namaste!