Palolem 21.1.2014 – 25.1.2014

Wie geplant fahre ich mit dem Roller nach Palolem, bezahlt hatte ich ja im Voraus und der Tank ist nahezu voll. Lothar und Conny hatte ich schon verständigt, die beiden erwarten mich und werden mir helfen. Nach einer Stunde bin ich in Panjim und finde auch relativ schnell das Deutsche Konsulat. Mr. Raikar empfängt mich und ich kann es vorweg nehmen, er ist ein Engel. Ich fülle die Formulare aus, hefte meine neuen Verbrecherfotos an und lege dem Antrag meine Passkopie sowie mein E-Ticket bei. Mr. Raikar verbindet mich mit dem deutschen Botschafter in Mumbai und ich kann endlich in meiner Sprache meine Situation darlegen. Es wird alles daran gesetzt, dass mein Pass rechtzeitig fertig wird, jedoch muss heute noch die Gebühr von 7.500 Rs eingezahlt werden. Nun ja, ohne Geld wird das lustig und die Dame am Telefon hatte alles mögliche aufgezählt, aber nichts von der Gebühr erwähnt. Abishek hätte mir das Geld auf jeden Fall ausgelegt. Wenn ich meinen Flug bekommen möchte, gibt es im Prinzip nur eine Möglichkeit, Geldtransfer mit Western Union. Da ich keinen Pass habe, wird das schwierig. Jetzt muss ich einen anderen Engel in Deutschland wecken, aber die Schalter von Western Union öffnen erst in zwei Stunden. Der Konsul müsste bald los, damit das Geld mit dem Antrag noch heute los geschickt werden kann. Er sieht, wie und was ich mit der Heimat chatte und beruhigt mich.

‚Don’t worry, Sir. I will do it with my money and you will send me later the transaction code per sms, I trust you. It’s all right!‘

Wow! Ich bin erst mal sprachlos, bedanke mich dann herzlich, erledige den Rest. Ich fühle mich total beseelt und gehe dann erst mal was essen. Auf meinem Weg komme ich an einer schönen weißen Kirche vorbei und ich setze mich für eine Weile auf eine Kirchenbank. So sitze ich eine Weile und am Ende gehe ich auf die Knie, bekreuzige mich und bedanke mich für mein Leben. Das kam einfach so über mich und hat mich selbst überrascht. Freier im Kopf und mit Vorfreude auf Lothar, Conny und Steffen schwinge ich mich auf den Scooter.

Die Fahrt in den Süden führt durch wunderschöne Landschaften, sattgrüne Reisfelder, oft umrahmt von Palmen und sanft geschwungenen Hügeln im Hintergrund. Wie aus dem Bilderbuch.
Dann passiert’s. Kurz vor meinem Ziel überholt mich ein Auto, das schon seit Minuten hupend hinter mir her ist. Warum der Fahrer überholen will, obwohl direkt vor mir Autos fahren? Keine Ahnung. Eigentlich habe ich den Impuls das Gas wegzunehmen, aber mein Ego kommt mir dazwischen. Ich bin zwar nur ein Tourist, aber die Kurven den Berg hoch schaffe ich auch mit 50 Sachen, wirst schon sehen. Der Fahrer überholt mich also und kontrollieren zu früh nach links zurück. Dann geht alles blitzschnell, das Auto erwischt mich am Vorderrad und ich komme ins Schleudern. An das was dann folgt, kann ich mich nicht erinnern, nur dass ich dachte ‚Scheibe, nicht fallen!‘ Ich sehe noch wie mein Lenker mal nach links und dann mag rechts quer steht, aber so als wäre ich ein Beobachter. Als ich wieder klar denken kann, kann ich es kaum fassen. Ich sitze auf meinem Roller am Straßenrand und habe den Lenker so fest in der Hand, dass du fast weg tut. Der Fahrer steigt aus und natürlich tobe ich zunächst. Okay, nichts passiert, ich hole tief Luft und bedanke mich abermals für mein Leben!
Am Scooter ist ein kleiner Kratzer an einem Plastikteil, ich mache mit meinem Smartphone Fotos vom Fahrer, vom Schaden und vom Nummernschild. Nach einigem Hin und Her fahren wir zur nächsten Honda-Werkstatt kurz nach Palolem, das Teil kostet 40 Rupien, aber die Verkäuferin besteht darauf, dass der Fahrer mir 50 Rupien gibt, weil ich nochmal gefahren muss, das Teil ist nicht vorrätig.

In Palolem treffe ich mich erst mal mit Conny und Lothar. Schön, Deutsche! So jetzt hole ich mir erst mal zwei Umarmungen ab! Gemeinsam machen wir uns auf die Suche nach Steffens Unterkunft, der Kerl hat ja kein Telefon. Im Sea View wo er laut Email zuletzt war, kennt ihn niemand. Da ich schon einmal hier bin. frage ich nach einer Unterkunft. Die Hütten mit Seeblick sind alle belegt, aber hinten gibt es noch weitere Zimmer und eines ist sogar noch frei. Der Sohn der Vermieterin bekannt mit, dass ich nach einem Steffen suche. ‚Steffen from Germany? He stays in the room opposite of you!‘
In diesem Moment kommt er gerade vom Schwimmen zurück. Steffen steht mit dem Rücken zu mir und ich rufe ihn. Ungläubig dreht er sich um… er freut sich tierisch und ich bekommen noch ne deutsche Umarmung! Sofort geht es mir mehrere Stufen besser. Ich weiß nicht, was es genau ist, aber dieser verrückte Kerl hat eine wahnsinnig positive Energie!

Die nächsten Tage verbringe ich abwechselnd mit meinen drei Deutschen. Sonnen, Baden, fett Essen gehen, guten Rotwein trinken, Canasta spielen, Faulenzen und hauptsächlich Lachen. Steffen und ich verstehen uns blendend und nicht nur einmal habe ich Bauchschmerzen vor Lachen. Von den vielen verrückten Aussteigern ist er auf jeden Fall der Lustigste!

Zwischendurch denke ich natürlich an meinen Pass und hoffe, dass er bis Montag fertig ist. Am Freitag kommt dann der Anruf von meinem Engel aus Panjim. Zunächst verbindet er mich mit dem Botschafter in Mumbai. Leider wird es enge mit dem Pass, falls das Bürgeramt in Heilbronn nicht die Daten meines Originalpasses bestätigt. Sofort düse ich ins Internetcafé, such die Email-Adresse und bitte darum, die Anfrage aus Indien zu bearbeiten. Eine Stunde später sitze ich wieder am Strand, als mich mein Engel anruft. „Heilbronn confirmed! Please come tomorrow to Panjim in my office!“ Er hat den neu ausgestellten Pass und wird im Büro sein (obwohl Samstag ist). Mit dem neuen Dokument muss ich noch zur FRRO, der Ausländerpolizei. Dort muss in meinem vorläufigen Reisepass bestätigt werden, dass ich legal nach Indien eingereist bin (nun ja, die erste Nacht in Little Flower war ja quasi illegal!)

Das bedeutet nun nach vier Tagen wieder Abschied nehmen, denn auf keinen Fall fahre ich die Strecke noch einmal hoch und runter. Nach Mandrem im Norden  muss ich sowieso, um mein Gepäck abzuholen und den Roller zurückzubringen. Außerdem ist es von dort näher zum Flughafen. Schade! So long, Steffen! Good-bye Conny und Lothar!